: Jüdischer Weltkongreß tagt in Berlin
■ Erstmals seit 60 Jahren auf deutschem Boden - an historischem Ort und historischem Tag
Berlin (taz/afp) - Zum ersten Mal seit 60 Jahren findet ein internationaler jüdischer Kongreß auf deutschem Boden statt
-in diesen Tagen in West-Berlin. Auf Einladung des Zentralrats der Juden in Deutschland wurde der Jüdische Weltkongreß und der Europäische Jüdische Kongreß gestern eröffnet.
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, sagte zur Eröffnung, die Deutschen sollten „beweisen, daß die Welt nichts zu befürchten hat“. Das einige Deutschland könne auf seinen besten Traditionen und auf den Lehren aus seinen schlechtesten Traditionen aufbauen. Die einzige wirkliche Brücke der Verständigung zwischen jüdischem und deutschem Volk, so Bronfman weiter, sei der Schmerz der Erinnerung an die Vergangenheit und die ermordeten sechs Millionen Juden.
Zu Beginn seiner Rede erinnerte der WJC-Präsident an die Niederlage des Nationalsozialismus vor 45 Jahren und den Zusammenbruch der „stalinistischen Diktatur in Ostdeutschland“, die er gleichermaßen als „Sieg für die gesamte Menschheit“ bezeichnete.
Von großem, symbolischem Gewicht sind das Tagungsdatum und der Ort. Die zentrale Gedenkveranstaltung und die Aussprache findet am 8. Mai, dem Tag der deutschen Kapitulation, in der „Wannsee-Villa“ statt. Hier wurde am 20.Januar 1942 die systematische Vernichtung der europäischen Juden von den beteiligten Reichsministerien koordiniert. Datum und Ort waren innerhalb des Weltkongresses nicht unumstritten. Das israelische Büro beobachtet die deutsch-deutsche Vereinigungseuphorie ohnehin mißtrauisch und fordert die DDR -Regierung jetzt auf, Gesetze zu erlassen, die das Leugnen des Holocausts unter Strafe stellen.
Der Jüdische Weltkongreß, zu dem über 100 Teilnehmer erwartet werden, wurde gestern abend mit einer Veranstaltung im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde im Westteil Berlins eröffnet. Dabei sprachen neben Edgar Bronfmann und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, auch Berlins SPD-Bürgermeister Walter Momper und Bundeskanzler Kohl. Die Teilnehmer des Treffens werden am Dienstag von Lothar de Maiziere empfangen. Dienstag abend wird der Kongreß mit einem Gedenkgottesdienst und dem Kaddisch im Jüdischen Gemeindehaus beendet werden.
aku
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