Momper bekommt einen Freund

Bei den ersten freien Kommunalwahlen in der DDR erlitten die Konservativen eine deutliche Schlappe / CDU verlor landesweit 8 Prozent In Ost-Berlin erklomm das Bündnis 90 die 10-Prozent-Marke / Rot-grünes Bündnis nun auch im anderen Teil der Stadt möglich?  ■  Von K. Doerfler und CC Malzahn

Berlin (taz) - Die CDU hat bei den gestrigen Kommunalwahlen in der DDR eine deutliche Schlappe einstecken müssen. Der zweiten Hochrechnung zufolge büßte sie 8,4 Prozent ein und erreichte landesweit nur noch 32,4 Prozent. Auch die anderen beiden großen Parteien konnten ihr Ergebnis nicht verbessern. Die PDS verlor 2 Prozent und landete bei 14,4 Prozent, die SPD bekam mit 21,3 Prozent ebenfalls einen Dämpfer - im März hatte sie 21,9 Prozentpunkte erhalten.

Dagegen gingen viele der kleinen Parteien gestärkt aus der zweiten freien DDR-Wahl hervor. Lediglich die DSU (4,1 Prozent), die Grünen (2,4 Prozent) und das Bündnis 90 (2,4 Prozent) mußten Verluste hinnehmen. Aus dem Stand konnte dagegen der Bauernverband 5,0 Prozent für sich verbuchen.

Gestern müssen die Landwirte die Stimmlokale gestürmt haben, denn auch die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) konnte zulegen und erreichte 3,1 Prozent. In Berlin sahen die Bauern dagegen keine Sonne. Trotz geringerer Wahlbeteiligung als am 18. März haben die Ostberliner Parteien gestern fast das gleiche Stimmenergebnis bekommen wie bei den Volkskammerwahlen. Nach einem Trend wurde die SPD mit rund 33,1 Prozent erneut stärkste Partei, verlor aber 1,8 Prozent. Die PDS konnte ihr landesweit bestes Ergebnis halten und übersprang die 30-Prozent-Marke. Die CDU konnte ihr schlechtes Abschneiden vom 18. März nicht verbessern. Sie landete erneut bei mickrigen 18,8 Prozent. Allein das Bündnis 90 legte über 3 Prozent zu und kam auf über 10 Prozent. Die Grünen hielten mit etwa 2,6 Prozent in etwa ihr Volkskammerwahl-Ergebnis.

Schon nach der Veröffentlichung der INFAS-Umfrage um 18.00 Uhr reagierten die Berliner Spitzenpolitiker auf die Trendmeldung. Sichtlich enttäuscht zeigte sich der Oberbürgermeisterkandidat der CDU, Roland Jacob. Man habe zwar das „wichtigste Ziel erreicht“ - die Verhinderung einer PDS-Stadtregierung. Ansonsten sei es ihm „schon fast egal, welche demokratische Partei in Berlin regiert“. Den nächsten Magistrat führt aller Voraussicht nach die SPD an. Dementsprechend zufrieden war deren Spitzenkandidat, Tino Schwierzina. Er unterstrich, bis auf die PDS alle Parteien in Gespräche über eine Regierungsbildung miteinbeziehen zu wollen.

Mitglieder des Berliner SPD-Bezirksvorstandes waren unterdessen damit beschäftigt, auszurechnen, ob es mit den Stimmen von Bündnis 90 und Grünen zu einer Koalition reichen würde. Nach der ersten Prognose käme ein „rot-grünes“ Bündnis auf 47 Prozent. Mit den Liberalen würde man sich der 50-Prozent-Marke deutlicher nähern - eine „Ampelkoalition“ halten führende Sozialdemokraten aus Ost-Berlin deshalb nicht für unwahrscheinlich.

Während sich der Berliner PDS-Chef Wolfram Adolphi über das Abschneiden seiner Partei freute, bereitete der hohe Stimmenanteil der ehemaligen Staatspartei dem Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Walter Momper, offensichtlich Kopfschmerzen. Momper zeigte sich „betroffen„; das Ergebnis für die PDS reflektiere offenbar soziale Ängste der DDR -Bürger, die stärker als bisher beachtet werden müßten.

Der Westberliner CDU-Vorsitzende Eberhard Diepgen plädierte schon kurz nach 18.00 Uhr für eine große Koalition. Er hätte sich für für seine Kollegen ein besseres Ergebnis gewünscht. In Anbetracht der zu lösenden Probleme sei ein Zusammenrücken der beiden großen demokratischen Parteien notwendig.