: Cornelius Castoriadis:
■ betr.: "Zusammenbruch des Marxismus-Leninismus", taz vom 27.4.90
betr.: „Der Zusammenbruch des Marxismus-Leninismus“,
taz vom 27.4.90
Zu den „Keimlinge(n) der wichtigsten Marxschen Ideen... vor allem jene der Selbstverwaltung durch die Produzenten -...“ gehören die vom Verfasser nicht erwähnten Vorstellungen von Pierre-Joseph Proudhon (1809 bis 1865) über eine mutualistisch-föderalistisch zu organisierende libertär-sozialistische Gesellschaft. Daß Marx seit seiner positiven Würdigung von Proudhons „Was ist das Eigentum?“ (1840) in danach ablehnender (vgl. besonders sein „Elend der Philosophie“), jedoch ständiger Verbindung zu diesem seinem ersten grundsätzlichen Gegner gestanden hat, zeigen die Arbeiten Pierre Haubtmanns sowie neuere Untersuchungen wie etwa die von Silvia Rota-Ghibaudi (Pierre-Joseph Proudhon, Franco Angeli, Milano, 1986).
Dr.Lutz Roemheld, Fröndenberg
Wenn ein walisischer Bergarbeiter sagt: Unsere Minen wurden geschlossen, weil wir nicht gegen die in China, Südafrika oder Kolumbien, wo man Achtjährige in die Minen schickt, konkurrieren konnten - dann liegt darin - wie auch übrigens auf Seite 11 - mehr Wahrheit als in Castoriadis‘ sinnlosem Gerede.
Zudem - wenn zwischen Nachbar und Nachbar ein Krebsgeschwür von Apparaten und Strukturen wuchert, euphemistisch „Servicegesellschaft“ genannt, wenn in seiner Folge ganze Tierarten aussterben, das Grundwasser absinkt, Menschen gleich Vieh aus ihrer Heimat verschoben werden (vor 2.000 Jahren: in Gladiatorenkämpfen/Thermen/Latifundien/Bergwerken verheizt), „Provinzen“ inklusive des sogenannten Ostblocks die Militärmaschinerien finanzieren - kann man analog zur Bibel sagen: Zurück zum Nächsten (engl.: neighbour), das ist das ganze Gesetz und die Propheten.
Mein Vorschlag für einen ersten Schritt: Abschaffung der juristischen Person.
G.Frerichs, Diepholz
Muß man sich als Soziologe erst auf den erkenntniskritischen, ja psychoanalytischen Pfad begeben, ehe man begreift und plausibel darstellen kann, wie sich Sozialismus und das zueinander verhält, was durch Marx und Lenin gesellschaftliche Gestalt angenommen hat? Offenbar ja, wenn man ein unentwegter Forscher und Wirklichkeit im Ganzen erfassen wollender Denker bleiben will, wie es von Kindesbeinen an möglich erscheint. Den Aufgeklärten fallen gleich eine ganze Reihe solcher Biographien ein, nicht zuletzt die von Erich Fromm.
Es ist also auch durch Cornelius Castoriadis heraus und dazu noch allgemeinverständlich formuliert. „Drang nach Gewißheit, Hoffnung auf festen Halt in all der Zerbrechlichkeit und Unsicherheit“ der säkularisierten Zeit führten zum Wunsch, „Gesetze der Geschichte“ auf der Ebene der materiellen Produktivkräfte wahrnehmen zu können. Und das mit Hilfe einer wissenschaftlichen Theorie mit der Folgeerscheinung der Gründung von „Parteikirchen“. Das Volk sollte sich, längst vor Marx und Engels gedacht und anfänglich erlebt, emanzipatorisch voll beteiligen können. Im Gegensatz zum Kapitalismus, wo sich die ursprünglich individuell gefärbten Produktivkräfte mit Hilfe von Organisation und Technik erst die Konsumenten, dann auch die Produzenten unterwarfen.
Fazit: Glaube und Wunsch, materielle Produktivkräfte allein würden die gesellschaftlichen Probleme lösen, sind die Motoren der KAP und KO. Beide sind, wie den Vorschulkindern schon geläufig, auf dem Holzweg und führen in den Ruin. Oder ist das Heil auf Erden erreicht, wenn zum Beispiel die Reproduktionskräfte ganzer Bevölkerungen und Landstriche verschwinden?
Ein Zeitgenosse Einsteins hat in den Wochen entstehender Räterepubliken südlich des Mains als Ausgangspunkt sozioökonomischer Überlegungen formuliert, daß heilsam nur sei, wenn sich im Bewußtsein des Einzelnen die ganze globale Wirklichkeit gesellschaftlichen Lebens und Leidens spiegelte, aber auch in den gesellschaftlichen Einrichtungen die individuellen geistigen und materiellen Fähigkeiten allgemein - zur Geltung kämen.
Im Anschluß an Castoriadis möchte man die Eselsnatur in uns aufrufen, aufzustehen, zu gehen und dem aufgeklärten Hirn zu zeigen, daß ohne Kunst und Religion auch bei ihm nichts Gescheites läuft.
Gisela Canal, Ulm
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