Rassistisch gefärbte „Ligen“ erschüttern Italien

Bei den Kommunal- und Provinzwahlen erreichen die neuen Regionalverbände bis zu 20 Prozent / Traditionelle Rechte muß Federn lassen / Einbruch der reformierten Kommunisten / Sozialistische Partei und Grüne gestärkt / Bricht Nord-Süd-Konflikt jetzt neu auf?  ■  Aus Rom Werner Raith

Erdrutsche und die Festigung befürchteter Trends schon der letzten Wahlen kennzeichneten Italiens Regional-, Provinzial - und Kommunalwahlen am Wochenende. Die Kommunistische Partei sackte trotz (oder wegen) ihrer „Modernisierung“ und Öffnung für „alle progressiven/alternativen/grünen Kräfte“ landesweit um 6,6 Prozent (auf 23,6 Prozent), in einigen Regionen sogar um mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Stimmen ab. Die rechte „Democrazia cristiana“ und die anderen Regierungsparteien (Republikaner, Liberale, Sozialdemokraten) mit Ausnahme der Sozialisten (+ 2,1 Prozent) mußten ebenfalls Einbußen hinnehmen. Währenddessen marschierten die vor allem in Oberitalien angesiedelten regionalchauvinistischen „Ligen“ kräftig vorwärts.

Ins Regionalparlament (Landtag) der Lombardei werden sie mit über 20 Prozent sogar als zweitstärkste Partei nach den Christdemokraten (31 Prozent), vor den Kommunisten (17,6 Prozent) und den Sozialisten (13,1 Prozent) einziehen. Auf Landesbasis erreichten die „Ligen“ 5,6 Prozent, obwohl sie faktisch nur im Norden und teilweise im Zentrum - außer in der Lombardei noch in Piemont und Veneto - angetreten waren.

Von den Oppositionsparteien können sich lediglich die Grünen freuen - sie waren landesweit mit zwei, lokal sogar mit vier Listen angetreten und vereinten so auf die Umweltschutzsache mehr als fünf Prozent. Achtungserfolg auch für die „Antiprohibitionisten“: die Gruppe, die sich die Legalisierung des Drogenhandels vorgenommen hat, erreichte knapp 1,5 Prozent. Lange Gesichter bei den Neofaschisten, die ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren (nunmehr 4,1 Prozent) und denen der Wechsel vom ehemaligen Vorsitzenden Almirante zum Hitzkopf Rauti Anfang des Jahres ebenso wenig bekommen ist, wie die „Totalreform“, die PCI-Chef Achille Occhetto seinen Kommunisten verordnet hat.

Wahlsieger sind damit eindeutig die „Ligen“. Diese seit vier Jahren aktiven lokalen und regionalen Verbände haben eine massive Kampagne vor allem gegen den italienischen Süden gestartet - da dieser ihrer Meinung nach zu viele Subventionen bekommt, welche der reiche Norden bezahlen muß

-streiten aber auch gegen die Regierung in Rom, die sie beschuldigen, die Steuergelder aus dem Norden zu verschwenden oder für sich und ihre Klienten zu verbrauchen, ohne auch nur die mindeste Gegenleistung zu erbringen. So kamen sie mit Parolen wie „Aus dem Norden kommt das Geld, aus dem Süden die Mafia“ in manchen Städten sogar auf den ersten Platz. Die „Lösung“ sehen sie in einer Autonomisierung ihrer Regionen, mitunter werden gar Abspaltertendenzen laut. Öffentliche Stellen sollen nur noch Eingeborenen vorbehalten sein, Zugezogene aus dem Süden wollen sie in Ghettos verbannen (etwa in eigene Schulklassen). Während des diesmal besondere Brutalität aufweisenden Wahlkampfs - im Süden zehn ermordete Kandidaten - hatten alle Regierungsparteien versucht, den „Ligen“ durch stramm ausländerfeindliche Töne den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Mühe war offensichtlich vergebens.