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GEKLAUTE IDYLLE

■ Bilder des südafrikanischen Malers Eric Ndlovu im Kunstkeller Kreuzberg

Eric Ndlovu, 1959 in Soveto, Südafrika, geboren, lernte Malen an der Schule, in Klubs und als Autodidakt. Politisch engagierte er sich in der Anti-Apartheid-Bewegung, wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Er verließ Soveto 1977, um in anderen afrikanischen Ländern Unterstützung zu suchen. Neben seinem politischen Kampf gewann das Malen für ihn an Bedeutung. 1983 zeigte er seine erste Ausstellung im Goethe-Institut in Kenia. Seit einigen Jahren reist er durch Europa und die USA, stellt in New Jersey, Holland und Deutschland aus und arbeitet an einem Buch über afrikanische Kunst. Nach Berlin hat ihn der Weltfriedensdienst eingeladen.

Ndlovus Bilder erzählen in einem einfachen und oft folkloristisch eingefärbten Realismus von seinem Leben. Strickende Großmutter und teetrinkender Großvater in einem blumenumrankten Winkel vor dem Haus - diese Idylle der Good old days, so der Bildtitel, ist nur noch in der Erinnerung und der Verklärung der Vergangenheit möglich. Schon in das große Portrait einer Mittelstandsfamilie Thankful ones schiebt sich ein Moment der Verunsicherung. In einer Einrichtung zwischen Herdfeuer, Tellerborden und Tierfellen, in der jedes Detail dazu bestimmt scheint, Geborgenheit zu vermitteln und doch wie die geklaute Dekoration eines Western-Farmhauses wirkt, sitzen mehrere Generationen um den gedeckten Tisch. Sie verharren im religiösen Gestus der Dankbarkeit und Demut, doch ihre Gesichter verziehen sich in die verkniffenen Falten der Unzufriedenheit. Die Befriedigung allein der materiellen Bedürfnisse reicht nicht aus, und die Beschwörung familiärer Gemeinsamkeit kann die Isolation des Einzelnen nicht aufheben.

Einen Zug schärfer typisiert Ndlovu das Spiel einer mit weißen und schwarzen Rollen besetzten Gesellschaft in Buffalo Bills. Gedrängt wie die Ölsardinen stehen sie in einer Kneipe, unwirklich deutlich von den vordersten Tischchen bis in den Hintergrund. Stilisiert in der Farbigkeit einer Kinoreklame, gefrieren in dem Bild Momente unausgetragener Spannungen.

Vom warmen Ocker und Rotbraun der Alltagsbilder heben sich dunkel die Szenen der Folter und der Demütigung ab, wenn die schwarzen Minenarbeiter vor den weißen Angestellten tanzen müssen. Eng nebeneinander liegen Jungen und Männer im Gefängnis, auf ihre blaubraunen Körper fallen nur schmale Lichtstreifen durch ein Gitter. In Take over erhält die Machtübernahme durch eine unübersehbare Reihe von Soldaten, die sich wie ein Bandwurm durch die zerstörte Stadtlandschaft zieht, den Status eines Deja-vu, eines sich wiederholenden Alptraums. Wie ein Film skizzieren die Bilder Stationen eines Lebens, in dem die Akte der Gewalt sich wiederholen, auch wenn sich die Kulisse verändert.

Blaß in den Farben und in der Komposition zerfallend, als würden die kleinen Protagonisten in den großen Leinwänden verloren gehen, sind Ndlovus Bilder vom Leben in Europa. In Just for a piece of paper schildert er die Hochzeit eines schwarzen Mannes mit einer weißen Frau, die in der Kirche, nur von einigen alten Vetteln belauert, wie zwei Statisten vor dem Altar stehen. In diesem Bild konkretisieren sich Ndlovus Erfahrungen der Selbstaufgabe und der Korruption der Gefühle.

Völlig in den Kitsch gleiten ihm die Momente purer Lebensfreude, von Musikern und nächtlichen Tänzerinnen ab. Wo seine naiv-realistische Bildsprache nicht mehr den Alltag vermittelt oder Unterdrückung und Gewalt dokumentiert, verlieren seine Mittel an Spannung.

Doch lassen sich an Ndlovus Bilderzählungen solcherart westliche Kunstmaßstäbe anlegen, seine Bildelemente zwischen Kitsch und Kunst kategorisieren? Seit einem Jahrhundert vermeinen europäische Künstler durch die afrikanischen Kulturen ihr Defizit an Werten ausgleichen zu können, was sich in den Formen der abstrakten Kunst, der kultischen Überhöhung von Kunstobjekten, der Aura elementarer Materialien und dem Spiel mit einfachen Zeichencodes wiederspiegelt. Selber zum Zerstörer einer einst paradiesisch verklärten Kultur geworden, verfolgt der Westeuropäer jetzt mit mitleidiger Arroganz, daß die Künstler dort auf einer hier als inferior abgetanen Ebene des einfachen Erzählens, des Thematisierens um der Botschaft willen und des plakativen Verweisens auf die Realität ankommen. Solche Bilder sind für uns durch die Techniken der Reproduktion und der Massenmedien als Banalitäten diskreditiert; nicht ermessen läßt sich, ob sie nicht als dokumentierende und identitätsstiftende Artikulationsformen innerhalb einer weißen und fremdbestimmten Öffentlichkeit von einer anderen Notwendigkeit getragen werden.

Katrin Bettina Müller

Eric Ndlovu im Kunstkeller Kreuzberg, Stresemannstraße 36, täglich 16 bis 20 Uhr, bis 20. Mai.

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