Bald „fängt es an zu brennen“

■ Heute streiken die Kita-ErzieherInnen wieder / An der Situation hat sich nichts positiv verändert: Hoher Krankenstand, Kündigungsgelüste, Frust... / Jugendstadtrat Borchardt: Stimmung „von trotzig bis depressiv“ / 35 Prozent Krankenstand in Steglitzer Kitas

West-Berlin. Die Bilder sind altbekannt: Trommelnde und pfeifende ErzieherInnen auf Kundgebungen, Streikposten vor den Kindertagesstätten, die Kids zu Hause bei Großmüttern und Tanten. Mit einem eintägigen Streik und Aktionstag beginnen ErzieherInnen und Gewerkschaften heute ihre „Politik der Nadelstiche“. Nachmittags wird vor dem Rathaus Schöneberg demonstriert - pünktlich zum Beginn der Anhörung der SPD-Fraktion zum geplanten Kita-Gesetz. nach Angaben der GEW wird der Streik auch von ErzieherInnen an den Kitas freier Träger sowie an Ganztagsschulen unterstützt.

Mit einem Kita-Gesetz, das unter anderem Personalschlüssel und Gruppengröße regeln soll, wollen sich die Gewerkschaften ÖTV und GEW nicht abfinden - ebensowenig mit den vom Senat während des Streiks zugestandenen 247 zusätzlichen ErzieherInnenstellen. Die GEW forderte gestern erneut die sofortige Aufnahme von Tarifverhandlungen. Nachdem der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses am Dienstag der Schaffung von 247 Stellen zugestimmt hatte, wandte sich Jugendsenatorin Klein (AL) an die Bezirke mit der Bitte, die Stellen sofort auszuschreiben. An ErzieherInnen, die zwischenzeitlich nicht in ihrem Beruf tätig waren, appellierte Klein, eine „Rückkehr in ihr Arbeitsfeld zu überdenken“.

Ob dieser Aufruf fruchtet, scheint nach dem erfolglosen zehnwöchigen Streik für einen Tarifvertrag fraglich. Schlechte Stimmung herrscht unter den ErzieherInnen seit dem faktischen Ende des Kita-Streiks allemal. Die Stimmung in Kreuzberger Kitas beschreibt Jugendstadtrat Borchardt (SPD): „Von trotzig bis depressiv.“ Zwar ist in den Bezirken nicht die von vielen befürchtete Kündigungsserie eingetreten, aber „Kündigungen werden von den KollegInnen durchaus in Erwägung gezogen“, sagt Monika Zöller. „Die haben nur noch nichts anderes gefunden.“

Ein Krankenstand von 35 Prozent zum Beispiel in Steglitz verschärft die Arbeitssituation zusätzlich. „Wir überlegen“, so Jugendstadtrat Schmugge (CDU), „notfalls Gruppen zu schließen“. Während in den Bezirken Tiergarten und Reinickendorf zumindest in den Büros der Jugendstadträte nach Aussetzung des Streiks keine Auswirkungen auf die Personalsituation registriert wurden, verzeichnet Neuköllns Jugendstadtrat Micha Wendt (AL) einen Krankenstand von 20 Prozent, der „sich nur ganz langsam abbaut“.

Obwohl ErzieherInnen dank unattraktiver Ausbildung und ebensolcher Berufsperspektiven längst zur Mangelware geworden sind, glaubt Wendt, daß die 247 vom Senat zugesagten Stellen ohne größere Probleme zu besetzen sind. „Die Probleme kommen später, wenn die neuen Kindertagesstätten fertig sind und mit Personal ausgestattet werden müssen.“ Innerhalb der nächsten beiden Jahre würden allein in Neukölln sechs neue Kitas eröffnet, für die dann rund 100 ErzieherInnen benötigt würden. „Dann fängt es an, zu brennen.“

anb

Die Anhörung der SPD-Fraktion zum Kita-Gesetz findet heute um 15 Uhr im Rathaus Schöneberg in Raum 195 statt.