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Mandela hat nichts gegen de Klerks Europatour

Auf seiner ersten Station in Paris traf sich der südafrikanische Staatspräsident mit Politik und Industrie / Devise: Nicht über Sanktionen zu reden schafft sie schneller ab / De Klerk am 21. Mai in Bonn / Mandela bereist derweil in 12 Tagen afrikanische Staaten  ■  Aus Paris Knut Pedersen

Auf den Tag genau neun Jahre nach dem Wahlsieg des französischen Staatschefs Fran?ois Mitterrand, am 10. Mai 1981, heißt sein Gast im Elyseepalast nicht Nelson Mandela, sondern Frederik de Klerk. Für die Anti-Apartheid-Bewegung in Frankreich wird es gleichwohl schwer sein, gegen den offiziellen Empfang des südafrikanischen Präsidenten zu mobilisieren. Zum einen, weil de Klerk auf seiner diplomatischen Europa-Tour in acht anderen Hauptstädten unter anderem in Bonn - empfangen wird. Zum anderen und vor allem, weil Nelson Mandela gestern in einem Rundfunkinterview erklärte, daß er „persönlich keine Einwände gegen den Empfang de Klerks in Europa“ hat. Mandela tourt derweil 12 Tage durch afrikanische Staaten. Zu allererst aber wird er wieder einmal in der sambischen Hauptstadt Lusaka Zwischenstation machen, um das ANC -Hauptquartier über die Gespräche mit der Regierung zu informieren.

Bis zum 26. Mai wird de Klerk ganz Europa bereisen: von Griechenland, Italien, Spanien und Portugal im Süden über die Schweiz, die Bundesrepublik, Frankreich und Belgien im Zentrum bis nach Großbritannien im Norden. Lediglich die Niederlande und Dänemark haben einen Empfang de Klerks als „verfrüht“ bezeichnet und abgelehnt. Ein Staatsbesuch in Holland ist jedoch für das Jahresende bereits in Vorbereitung. Die Reihenfolge der Besuchsetappen ist nicht veröffentlicht worden. Es ist jedoch bekannt, daß de Klerk heute früh nach Athen weiterreist, wo er - unter anderem mit dem als „Boykottbrecher“ renommierten Reeder Tony Georgeades eine Kreuzfahrt in der Ägäis unternehmen wird. Am 19. Mai wird der südafrikanische Präsident in Großbritannien, am 21. in Bonn und am 22. Mai in der Schweiz erwartet.

In Paris ist Frederik de Klerk gestern von Staatspräsident Mitterrand, Premierminister Michel Rocard und, am Abend in diskretem Kreise, dem Gaullistenführer Jaques Chirac empfangen worden. Unmittelbar bevor sich der südafrikanische Gast gestern nachmittag in den Elysee-Palast begab, hatte er mit einem Dutzend französischer Bankiers und Industrieller getafelt. Gastgeber war Jean-Pierre Desgeorges, der Direktor des staatseigenen „Alsthom„-Konzerns, der im Verbund mit „PramAtom“ 1978 ein Atomkraftwerk in Südafrika gebaut hatte.

„Wir sind auf lange Sicht an einem weiteren Kernkraftwerk interessiert“, hat ein südafrikanischer Diplomat bestätigt und angemerkt: „Die französische Industrie wäre dumm, sich jetzt ihren Platz in Südafrika wegschnappen zu lassen.“

Das Argument wird von de Klerk auf intelligente Weise zur Geltung gebracht. Nirgends wird der südafrikanische Präsident um die Aufhebung von Sanktionen „betteln“. Das hatte er bereits den in Kapstadt versammelten Botschaftern seines Landes im vergangenen Februar erklärt. „Je weniger wir von Sanktionen reden, desto schneller verschwinden sie.“ Das scheint zu funktionieren. Bereits heute überlegt die Europäische Gemeinschaft, ob sie nicht als „ermutigende Geste“ die gestoppte Einfuhr von Goldmünzen (Krügerrand) wieder erlauben soll. Weitergehend ist -vor allem in Spanien - von der baldigen Aufhebung des Sport- und Kulturboykotts die Rede. Frankreich könnte auch den 1985 dekretierten Einfuhrstopp südafrikanischer Kohle überdenken.

Sechs Monate nach seinem Amtsantritt hat de Klerk noch nicht die Apartheid in Südafrika begraben - aber Europa offensichtlich die Befürchtung, der „Gorbatschow vom Kap der guten Hoffnung“ könne auf halbem Reformwege stehenbleiben. Angesichts des mehr als konzilianten Tons, den vor allem Mandela anschlägt, scheinen die Anti-Apartheid-Bewegungen in Europa mehr zu verlangen als der ANC im eigenen Lande. Eine unbequeme und auf Dauer wohl unhaltbare Position.

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