piwik no script img

Das 500.000.000 D-Mark-Geschenk

■ Jahrhundertpräsent für Daimler-Benz: Senat will dem Stuttgarter Konzern das Gelände am Potsdamer Platz zu einem Preis von 1.500 DM pro Quadratmeter überlassen / Der tatsächliche Marktwert liegt bei 8.000 bis 10.000 DM / Der Senat verschenkt damit ein halben Milliarde DM

West-Berlin. Der Berliner Senat ist offenbar dazu bereit, mit dem Ansiedeln des Daimler-Benz-Konzerns auf dem Gelände des Potsdamer Platzes nicht nur eine „Jahrhundertentscheidung“ zu treffen, sondern dem Multi auch ein Jahrhundertgeschenk zu machen: Nach Informationen der taz ist ein Grundstückspreis von sage und schreibe 1.500 DM pro Quadratmeter im Gespräch, ähnliches ist auch der gestrigen Ausgabe des 'Spiegel‘ zu entnehmen. Während sich die politische Debatte vor allem um das Wie dreht, scheint das Wieviel dabei zum Nebenschauplatz geworden zu sein.

Bleibt es bei diesem Preis, darf sich der rot-grüne Senat mit Sicherheit eines der größten Subventionsgeschenke der Nachkriegsgeschichte zuschreiben: Nimmt man die Zahl von 1.500 DM zur Grundlage, dann kann der Stuttgarter Konzern die von ihm gewünschten rund 60.000 Quadratmeter zu einem Preis von gut 90 Millionen DM erwerben. Der Marktwert des seit der Maueröffnung wieder im Zentrum der Stadt liegenden Geländes wird derzeit von Maklern bereits mit 10.000 DM je Quadratmeter beziffert. Für Grundstücke in Berlins bislang bester City-Lage, am KuDamm und am Tauentzien, müssen pro Quadratmeter immerhin 7.000 bis 8.000 DM hingelegt werden. Legt man diesen Preis zugrunde, müßte das Filetgrundstück immerhin knapp eine halbe Milliarde DM kosten, bei 10.000 DM pro Quadratmeter über 617 Millionen. Bleibt der Senat bei seinem Angebot, verschenkt er öffentliche Mittel in der Höhe zum Beispiel genau der Finanzhilfen, die er vor kurzem über den Nachtragshaushalt aus Bonn bekommen hat, um die Folgen der Maueröffnung zu meistern.

Im 'Spiegel‘ dieser Woche wird behauptet, dieser Preis sei nicht weiter verhandelbar, ein Kaufvertragsangebot zumindest schon notariell beurkundet. Der Sprecher des verhandlungsführenden Finanzsenators Meisner, Brinkschulte, wollte gegenüber der taz dazu keinerlei Auskünfte geben. „Die Zahl im 'Spiegel‘ stimmt nicht, weiter werden Sie von mir nichts hören“, hieß es gestern lapidar. Die Verhandlungen mit Daimler seien noch im Gange, es hätten lediglich bisher „Beamtengespräche“ stattgefunden. Dem steht die Aussage eines Mitarbeiters der Daimler-Benz -Niederlassung in Berlin gegenüber: Walter Fock wollte zwar den Preis ebenfalls nicht bestätigen, gab aber zur Auskunft, man habe sich bereits geeinigt. Der Preis sei zwischen dem Senat und dem Konzern „auf der Grundlage der vom Senat ermittelten Verkehrswerte“ ausgehandelt worden - und die orientieren sich an den zuletzt getätigten Verkäufen in einem entsprechenden Gebiet.

Daimler-Benz versucht dem Senat die Entscheidung vor allem mit seinem Namen, der als Zugpferd für andere Unternehmen dient, und mit mehreren tausend Arbeitsplätzen zu versüßen. Die Stuttgarter drängen zur Eile und haben letzte Woche in Berlin zu verstehen gegeben, daß sie bei einem zu langwierigen Entscheidungsprozeß notfalls ihr Angebot einer anderen Stadt unterbreiten würden. Ganz abgesehen davon, daß die Zahl der versprochenen Arbeitsplätze beständig sinkt anfangs sprach man von 8.000, mittlerweile sind es nur noch 3.000: Der Konzern lockt mit einer Investition von rund 800 Millionen DM, kann aber mit den immer noch geltenden Berlin -Förderungsbestimmungen spätestens nach vier Jahren die Gebäude abschreiben. Will der Senat seinen Beschluß durchziehen - wie angekündigt -, soll bereits im Juli damit begonnen werden, die städtebaulichen Rahmenbedingungen abzustecken. Bis dahin müßte der Optionsvertrag mit Daimler unter Dach und Fach sein. Der Immobilien-Löwe Bendzko flachste gestern gegenüber der taz, bei einem Angebot zu diesem Preis würde er sofort um einen notariellen Termin mit dem Land Berlin nachkommen.

kd

Siehe Kasten nebenan

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen