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Prager Hexenjäger kommen zu Fall

In der CSFR betätigen sich vor allem hochrangige Funktionäre der katholischen Volkspartei, die bis 1989 klaglos alle Entscheidungen der KP mittrug, als Kommunistenjäger / Doch die selbsternannten „Saubermänner“ waren nur zu oft selbst Spitzel der Staatssicherheit  ■  Von Christian Semler

Je duldsamer Menschen einem totalitären Regime gegenüber gewesen sind, desto unnachsichtiger schreien sie nach Rache und fordern Vergeltung - wenn das Regime gestürzt ist. Die Massendemonstrationen des letzten Wochenendes in Prag für das Verbot der Kommunistischen Partei sind die jüngste Illustration dieser These. Der Volkszorn ohne Risiko trifft aber nicht nur und nicht in erster Linie die Kommunistische Partei. Paradoxer- und traurigerweise richtet er sich gegen ehemalige Kommunisten, die den Prager Frühling vorbereiten halfen und seit der Okkupation von 1968 zu den Aktivisten der demokratischen Opposition und der Charta 77 gehörten.

Unter den besonders aktiven Exkommunisten-Jägern findet man führende Funktionäre der katholischen Volkspartei, die bis 1989 klaglos ihren Dienst als „Blockflöte“ versah, um dann fünf Minuten vor zwölf das Lager zu wechseln. Dieses Manöver brachte einem der führenden Männer der Volkspartei, dem ehemaligen Leiter der Parteischule Richard Sacher, den Posten des Innenministers ein. Ihm wurden drei Stellvertreter zur Seite gegeben, die 1968 schon an der Demokratisierung des Verwaltungsapparats beteiligt und nach der sowjetischen Okkupation von Husak gefeuert worden waren.

Doch schon bald ergaben sich Unstimmigkeiten zwischen den Vizeministern und ihrem Chef. Den ehemaligen Funktionären des Staatssicherheitsdienstes wurde von Sacher aufgegeben, zu Hause zu bleiben und auf ihr Verhör zu warten. Natürlich wurde diese Anordnung ignoriert. Massenweise verschwanden Akten aus dem Sicherheitsministerium - angeblich sind sie vernichtet worden. Zum offenen Konflikt zwischen Sacher und seinen Helfern kam es, als der Minister als Maxime seiner Personalpolitik verkündete, man müsse alle Stasi-Leute bei anderen Polizeidienststellen weiterbeschäftigen, die der jetzigen Regierung gegenüber loyal seien und Fachkompetenz besäßen. So wurde ein Geheimdienstler, der noch im November Mitglied des Krisenstabes zur Niederwerfung der demokratischen Bewegung gewesen war, von Sacher zum Leiter der Informationsabteilung ernannt.

Die Auseinandersetzung um Sacher erreichte ihren ersten Höhepunkt anläßlich der Diskussionen um einen tschechoslowakischen Verfassungsschutz. Der Minister schlug vor, alle Parteien „gleichberechtigt“ zu beobachten. 4.500 neue Stellen wären hierfür zu veranschlagen. Als Sacher dann auch noch ohne Wissen des Parlaments dessen Mitglieder überprüfen ließ, war auch die Geduld des Bürgerforums am Ende. Im Verlauf der anschließenden Auseinandersetzung einigte man sich darauf, die Regierung vor den Wahlen nicht zu ändern. Sacher wurde anstelle der von ihm gefeuerten Vizeminister Jan Ruml beigegeben, ein Menschenrechtsaktivist und Herausgeber der antiautoritären Zeitschrift 'Respekt!‘. Man kam überein, daß sich alle Kandidaten für die Parlamentswahlen einer freiwilligen Überprüfung stellen sollten. Wer der Mitarbeit im Sicherheitsdienst überführt wurde, sollte sich stillschweigend zurückziehen. Nicht veröffentlicht werden sollte die Liste der 200.000 Zuträger des Sicherheitsdienstes. Nach diesen Festlegungen wurde allseits ein Ende der Querelen erhofft.

Jetzt aber ging Minister Sacher zur Gegenoffensive über. Er beschuldigte seine Kritiker, ein „zweites Zentrum“ im Sicherheitsapparat aufzubauen und an einem Komplott der Exkommunisten zur Wiederaufrichtung einer totalitären Herrschaft zu arbeiten.

Sachers Attacke fällt nun auf ihn selbst zurück. Immer mehr Funktionäre der katholischen Volkspartei, die sich bei der Verfolgung der Ex-Reformkommunisten hervorgetan haben, werden als Mitarbeiter des tschechoslowakischen Sicherheitsdienstes enttarnt. Der neue Bürgermeister von Brünn, der an die Stelle seines kommunistischen Amtsvorgängers getreten war, konnte nur wenige Stunden amtieren. Als seine Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst eindeutig feststand, entschuldigte er sich einfach damit, daß er mit Zustimmung des „Bruders Bartoncik“, des heutigen Vorsitzenden der Volkspartei, dem Geheimdienst zu Diensten gewsesen sei. Mittlerweile hat die österreichische Zeitschrift 'Profil‘ ein Dossier veröffentlicht, das Bartoncik selbst sowie seine Parteifreundin Vera Bartoskova, heute stellvertretende Außenministerin, als Mitglieder des Sicherheitsdienstes ausweist. 'Profil‘ hält die Überbringer des Dossiers für vertrauenswürdig. Damit ist der Versuch der katholischen Rechten, als antikommunistische Saubermänner bei den Wahlen zum Ziel zu kommen, gescheitert. Die halb verärgerte, halb sensationslüsterne Öffentlichkeit in Prag wartet auf den Fall des nächsten Hexenjägers.

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