: Horten kein Platz für Exklusives
■ Für das „Sucos do Brasil“ kam das vorläufige Aus in der Horten-Delikatessa / Schulden stiegen ins Unermessliche
Ganz am Ende des Rundgangs durch das Schlemmer- und Gourmetland, das Horten im Untergeschoß eingerichtet und mit dem wenig originellen Namen „delikatessa“ belegt hat, liegen Brasiliens kulinarische Köstlichkeiten hinter gelbem Tresen und hohem
Plexiglas. Doch wer, wie die Mehrzahl, des mittags hungrig aber ziellos durch die Gänge streunt, ist längst an den Kochtöpfen Italiens, Chinas oder der Nordsee hängengeblieben, bevor er mit einen Blick auf die Karte Verheißungsvolles aus Südame
rika entdeckt. Jambalaya, Picadinho oder gar die brasilianische Nationalspeise Feijoada finden sich da Raritäten im Angebot der bremischen Gastronomie. Und auch die, die sich in Rio oder Sao Paulo von den Fruchtsaftständen auf der Straße haben be
geistern lassen, können sich hier bei Papayas, Mangos und Maracujas Erinnerungen auf der Zunge zergehen lassen.
Konnten vielmehr. Denn seit Anfang dieser Woche ist die exotische Insel verlassen. Da hatte der gelernte Koch und Hotelbetriebswirt Frank Neumann, der im letzten Herbst mit einem 10-Jahres-Vertrag eingestiegen ist, die Kochlöffel hingeschmissen und das Feld geräumt. Und dafür hat er vielerlei Gründen, wie er erzählt.
„Sucos do Brasil“ ist eine Franchising-Firma in Düsseldorf, die mit einem einheitlichen Erscheinungsbild, einheitlicher Karte und einheitlichen Preisen Läden in Düsseldorf, Bremen und Hamburg an Lizenznehmer verpachtet. Für den Standort Horten hieß das für Frank Neumann: Für Franchise-Gebühren und Standpacht hatte er monatlich nahezu 13.000 Mark zu zahlen. 2.500 Mark Umsatz täglich, so hatten die Düsseldorfer Eigner gerechnet, müßten reichen, um über die Runden zu kommen. Eine mittlerweile astronomische Summe für Neumann, der durchschnittlich gerade zehn Prozent in die Kasse bekommen hat.
Die Rechnung aus dem fernen
Rheinland basierte mehr auf den eigenen Erfahrungen als auf intimer Kenntnis des Bremer Marktes. Als „1-a Lauflage“ war Neumann der Standort avisiert worden. Pech für ihn, daß die gegenüberliegende Treppe zur Lloyds-Passage ein kaum frequentierter Nebeneingang ist. Auch das Horten-Publikum hält Frank Neumann mittlerweile für das Falsche: „Der Horten -Kunde unterscheidet nicht zwischen frischer Qualität und Massenware“, sagt er und beklagt im gleichen Atemzug die Knebel, die ihm der Franchise-Vertrag auferlegt hatte. Weder das für Bremen offensichtlich zu avangardistische Mobiliar noch die Speisen und ihre Preise durfte er den hiesigen Gepflogenheiten anpassen. Das Rinderfilet vor den Augen des Gastes geschnitten und gegrillt, serviert mit einer exotischen Sauce aus fünf bis sechs verschiedenen frischen Früchten, für eine solche a la minute-Küche zur Mittagszeit ist die „delikatessa“ offensichtlich der falsche Standort. Konsequenz für Neumann: Er mußte außerordentlich kündigen, weil „mit jedem Tag, den ich hierbleibe, die Schulden ins Unermeßliche steigen“.
Andreas Hoetzel
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