: Chronischer Hirnschwurbel?
■ S T A N D B I L D
(Zurück zum Atom? Do., ARD 20.15 Uhr) Die Pirouetten des Elektrons als Ausweg aus dem Klimagau? Ein paar zehntausend Atommeiler als Auffanglinie für eine Erde im Schwitzkasten? Niemals zuvor hat ein Fernsehbeitrag die Mär von der Klimarettung durchs Atom so gründlich und sachlich auseinandergenommen wie Gerhard Bott. Dabei hat er nichts anderes getan, als ein paar simple und uralte Fakten aneinanderzureihen. Mit verheerender Wirkung für die Atomiker im Lande. Denn, so Bott, „gute Nachrichten für die Menschheit sind schlechte Nachrichten für die Atomenergie“. Daß Atomkraft bislang ganze vier Prozent des Weltenergiehungers stillt, daß Elektroenergie (Strom) überhaupt nur 15 Prozent der Energiebedarfs deckt, daß moderne gekoppelte Heiz-Kraft-Werke „besser, billiger und schneller“ gegen das Treibhaus Erde wirksam sind, wird leider allzuoft vergessen.
Als Kronzeuge für die Desavouierung der dümmsten Art, Kaffee zu kochen (mittels Spaltung von Urankernen) fungierte neben den bekannten Stars unter den Energiewissenschaftlern (Amory Lovins, Florentin Krause) ausgerechnet ein Spitzenmann der Weltbank: Anthony Churchill, der eine niedliche Anekdote zum besten gab. Unlängst, so berichtete er, sei auf einem Treffen von Kapitalmanagern mit Atom -Stromern einer der Atompäpste aufgestanden und habe berichtet, daß Atomenergie erstens das Größte sei und zweitens der Unfall von Harrisburg gezeigt habe, daß selbst der GAU noch beherrschbar sei. Von den Kapitalgebern erhielt er eine gute Antwort: „Sie Clown haben uns nur eines gezeigt: wie man aus einer Milliarde Dollar Anlagevermögen innerhalb von 15 Minuten mehrere Milliarden Dollar Schulden machen kann.“ Da lacht der Ökologe.
Hauptansatz der Bottschen Sendung war eine ökonomische Analyse: Der gigantische Schuldenberg des weltweit größten Atomstromers EDF (billiger Atomstrom?), die Flucht des britischen Kapitals vor der Privatisierung der Atommeiler, die weltweit gegen Null tendierende Kurve der Neubestellungen von Atomkraftwerken, die 600 Milliarden Mark Folgekosten von Tschernobyl.
Was am Ende noch fehlte, war vielleicht ein Blick auf die geistige Verfassung der Atomgemeinde, die an ihren alten Glaubenssätzen hängt und sich mit wachsendem Realitätsverlust weigert, vom Atomzeitalter Abschied zu nehmen. Typisches Sektenverhalten? Der eigenen Propaganda aufgesessen? Festklammern an der eigenen Utopie? Oder einfach nur chronischer Hirnschwurbel durch fortgesetzte radioaktive Bestrahlung? Von ihrem Obertheologen Wolf Häfele war die Antwort nicht zu erhalten. Der saß reichlich zerknittert in der anschließenden Diskussion und brachte keinen Fuß auf den Boden.
Manfred Kriener
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