Mieterbund: Recht auf Wohnen absichern

Gründungskongreß legte Forderungspaket zur sozialen Absicherung vor Anlage IX zum Staatsvertrag besiegelt territorialen Ausverkauf der DDR  ■  Aus Berlin Beate Seel

Ganz oben auf der Liste der am Samstag auf dem Gründungskongreß des „Mieterbundes der DDR“ verabschiedeten Forderungen rangiert die verfassungsmäßige Absicherung des Rechts auf Wohnen. Die rund 150 Anwesenden hatten auch allen Grund, im Zuge von Währungsunion und Vereinigung beider deutscher Staaten eine Schlechterstellung zu befürchten. Der gerade erst unterzeichnete Staatsvertrag wirft bereits seine Schatten vorraus: Gemäß einer Zusatzklausel ist es künftig bundesdeutschen und ausländischen Investoren erlaubt, Grund und Boden zu erwerben - ein erster, grundlegender Einschnitt im Eigentumsrecht der DDR. Die erwarteten Mieterhöhungen und die Ansprüche ehemaliger westdeutscher Eigentümer trugen ihren Teil dazu bei, daß die Stimmung auf dem Kongreß in Berlin eher von Zukunftsangst denn von Aufbruchstimmung gekennzeichnet war.

Nach den besänftigenden Worten eines Vertreters aus dem Justizministerium, mit dem 2. Juli werde sich rein gar nichts in der Wohnungsfrage ändern, war es Wolfgang Ullmann vom Bündnis 90, der die Anlage IX zum Staatsvertrag über den Eigentumserwerb in die Debatte brachte. Dieser Zusatzvereinbarung zufolge können bundesdeutsche und andere ausländische Investoren künftig Grundstücke in der DDR kaufen - eine einschneidende Änderung des Eigentumsrechts also, die quasi durchs Hintertürchen schnell noch in den Staatsvertrag aufgenommen wurde. Die Kommunen werden darin verpflichtet, Grundstücke in Gewerbe- und Stadtgebieten in ausreichender Zahl und Größe bereitzustellen. Angesichts eines fehlenden Marktes für Grund und Boden soll der zunächst vereinbarte Grundstückspreis nach Ablauf einer Übergangsfrist einer Überprüfung und nachträglichen Anpassung unterzogen werden.

Die Absicht der Zusatzvereinbarung geht schon aus ihrem Titel hervor: „Möglichkeiten des Eigentumerwerbs an Grund und Boden sowie an Produktionsmitteln zur Förderung gewerblicher arbeitsplatzschaffender Investitionen“. Außer der Formulierung, die Kommunen sollten Grundstücke in „ausreichender Zahl und Größe“ zur Verfügung stellen, werden keinerlei Vorgaben oder Beschränkungen benannt. Ausdrücklich festgehalten wird, daß das geltende Recht der Umsetzung von Anlage IX nicht im Wege steht: „Zur Verwirklichung dieses Ziels (der Investitionen, d. Red.) wird die Deutsche Demokratische Republik Vorschriften ihrer Rechtsordnung ändern oder außer Kraft setzen, die dem entgegenstehen.“ Siehe Seite 5