piwik no script img

Bremer Deern mit Weltformat

■ Ex-Bremer Jazzsängerin Gabriele Hasler und Michael Sagmeister bei DACAPO

Davon träumen wohl alle Künstler: aus den beengten Verhältnissen der Heimatstadt in die große weite Welt zu ziehen, um dann nach Jahren dort wieder aufzutreten mit dem Flair des Erfolgs und im großen Stil der Metropolen, bei dem den armen Zurückgebliebenen der Mund offen stehenbleibt.

So ähnlich muß es Gabriele Hasler gehen, wenn sie in Bremen auftritt. Ihre letzten Termine waren zwar ein wenig verunglückt: vor zwei Jahren hatte sie Probleme mit der Stimme und letztes Jahr fiel das Konzert gleich ganz aus aber am Sonntagabend schöpfte sie bei einem mitreißenden Konzert im Bürgerhaus Weserterrassen aus dem Vollen.

In ihrer neuen Gruppe konnte sie immerhin den international renommierten Gitarristen Michael Sagmeister vorführen, und das Programm war so souverän weltfräulich, daß man sich fragt, ob Frau Hasler überhaupt noch weiß, wo oder was Walle ist.

Neu war auch, daß die Band nicht mehr nur Begleitfunktion hatte. Gabriele Hasler ist nun gleiche unter gleichen Bassist

Gunnar Plümer, Schlagzeuger Jörn Schipper und Sagmeister hatten die meisten Songs komponiert und erhielten viel Freiraum für ihr Spiel - aber vielleicht gerade dadurch wirkten die Soli der Hasler präzise ausgefeilt und sehr wirkungsvoll inszeniert. Nur in wenigen Songs, besonders bei den ruhigen Balladen, sang sie einen Text, meist zeigte sie im Scatgesang, wie wandlungsfähig ihre Stimme ist. Und wie sie da summte, bölkte, brabbelte und noch -zig andere Effekte (für die mir die Worte fehlen) mit ihren Stimmbändern, dem Kehlkopf und der Mundhöhle erzeugte, war erstaunlich.

Mit Sagmeister verbindet sie eine Vorliebe für komplizierte, sehr schnelle Themen und Phrasierungen. Wie ein Gegenpol zu diesen manchmal schon etwas kalt wirkenden technischen Finessen standen die Duopassagen mit Bassist Gunnar Plümer, der sehr melodisch und gefühlvoll spielte. Besonders mit dem Duostück „Dreams“ setzten die beiden einen ruhigen, warmen Gegenpol zum fetzigen Grundton der meisten anderen Stücke.

Auch so laut sind die Haslerkonzerte früher nicht gewesen. Das ist sicher Sagmeisters Einfluß, denn seine elektrische Gitarre und besonders der Gitarrensyntheziser gaben dem Konzert durchgängig einen Kick in Richtung Jazzrock.

Die Zugabe war dann ein ironischer Kommentar zur Eigendynamik der Spieltechnik: In einem „Designersong“ sang Gabriele Hasler zuerst ganz langsam eine Klage: Warum die Männer im Jazz immer so damit angeben müssen, wie schnell sie spielen können; würden sie auch so rasant abwaschen? Oder: Warum hat der Komponist dieses Lied so geschrieben, daß sie armes Mädchen kaum so schnell singen kann?

Danach schlichen die Musiker ganz langsam auf die Bühne, aber ihr konnte es plötzlich nicht schnell genug gehen. Als sie dann endlich in Fahrt kamen, sang sie so schnell, daß die anderen kaum noch mitkamen. So nahm sie die eigene Virtuosität virtuos auf die Schippe - in Bremen hat sie das bestimmt nicht gelernt.

Willy Taub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen