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SCHWARZES LOCH

■ „The Road To God Knows Where“ - ein Nick-Cave-PR-Film

Links steht Kid Congo Powers, rechts steht Blixa Bargeld, beide halten sich mit der linken Hand an ihren Gitarren fest und streicheln und hauen sie mit der rechten. Zwischen den beiden ist ein durch Unterbelichtung entstandenes großes, dunkles, schwarzes Loch, von dem man weiß, daß sich darin das Schlagzeug und davor Nick Cave befinden muß. Schließlich taucht er auf und singt. And it's him, it's the singer.

Schnitt. Vor einem Auftritt. Die Roadies bauen die Anlage auf die Bühne, ein riesiger leerer Saal, Nick Cave, angetan mit Baseball-Käppi, tanzt selbstvergessen zu Madonna durch den Raum, und niemand nimmt ihn zur Kenntnis.

Ein paar Tage, bevor ich den Film sah, bemerkte eine verflossene Liebe, daß alle Jungs so wie Nick Cave sein wollen. Für diese Klientel gibt es auf jeden Fall einen neuen Film. Für die Jungs, um zu studieren, wie er denn so ist, der Nick Cave, und ob es sich überhaupt lohnt, Rockstar zu werden, und für die Mädels zum Vergleichen, ob es jemanden gibt, der an ihn heranreicht.

Backstage vor einem Konzert. „Three things, I'm Nick Cave, I love you, and I wanna tell you“ - Cave übt seine Ansage drei-, viermal, der Rest steht gackernd rum, erinnert fast an eine Schülerband, vor allem Kid Congo mit seiner liebenswert fahrigen Art. Vor dem Konzert, nach dem Konzert. Nick, an die Wand gedrängt, schüttelt artig Hände, läßt sich zusammen mit Menschen, die er nie zuvor gesehen hat, fotografieren, läßt sich vollquatschen, nickt geduldig, sagt manchmal ein kleines „Yeah“. Nur manchmal verzieht er abfällig die Lippen, auch wenn man (im Film zumindest) die ganze Zeit seine Business-Genervtheit spürt. Ständig Fototermine und irgendwelche nichtssagenden, blödsinnigen Telefoninterviews mit dem 'Michigan Weekly‘ oder einer Radiostation in the middle of nowhere. Bei fast jedem Auftrittsort wieder derselbe Streit mit knickrigen Veranstaltern um die nicht vertragsgemäße, zu kleine PA, immer zuviele Zigaretten und wieder backstage. Kleine, plüschige Kabuffs, Billardtisch, riesige, fast kirchenähnliche, trostlos leere, kalte Säale, umziehen, schnell eine Zigarette vor den Zugaben, zurück auf die Bühne und wieder backstage, immer wieder backstage. Oder im Bus, akustische Gitarre, alte Gospels, Blixa singt fürchterlich schief, nicht identifizierbare Landschaften ziehen vorbei, ständige Veränderung wird zum immergleichen, ununterscheidbaren Einheitsbrei. Trist, grau, leer, Touralltag in Schwarzweiß, geschluckt vom großen, schwarzen Loch Tristesse.

The Road... ist nicht unbedingt ein Film für die Hardcore-Fans, dazu gibt es zuwenig Musik und werden die Songs oft hektisch abgeschnitten. Die ständige Handkamera ist anstrengend, auch wenn ihr ein paar sehr schöne Bilder gelingen. Nie hat man den Eindruck von gestellten Szenen Doku pur. Und vor allem ist der Film weniger Dokumentation der Musik, der Konzerte oder der Band, sondern Dokumentation des Touralltags, der trister nicht sein könnte, und in diesem Zusammenhang sind die Bad Seeds austauschbar mit jeder anderen Rock'n'Roll-Band.

Auf jeden Fall hat dieser Film therapeutische Wirkung. Wer ihn gesehen hat und dann trotzdem noch davon träumt, Rockstar zu werden, und mit dem Federballschläger vor dem Spiegel übt, ist hart genug, es auch wirklich zu schaffen. Alle anderen sind endgültig geheilt.

Thomas Winkler

„The Road To God Knows Where“, Regie, Buch, Kamera: Uli M. Schüppel, 16 mm, s/w, 89 min, OmU, mit Nick Cave & The Bad Seeds u.a.

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