: Nach dem Entzug auf der Straße
■ Nachsorge ehemaliger Drogenabhängiger droht an der Wohnungsnot zu scheitern
Ehemaligen Bremer Drogenabhänigen droht nach dem Entzug jetzt nochmal ein Entzug - nämlich der des Daches über ihrem Kopf. In zwölf harten Monaten sind sie in Hohehorst von der Nadel weggekommen. Doch kaum ist die eine Not überwunden, droht ihnen bei der Entlassung jetzt das nächste Lebensloch: Den versprochenen Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft nach der Entziehungskur wird es nicht geben, teilte ihnen ihr Rehabilitations-Betreuer mit. Grund ist ausnahmsweise einmal nicht fehlendes Geld, sondern schlichte Wohnungsnot.
In zwei Häusern in Bremen-Nord wohnten bislang für ein paar weitere Monate die ehemaligen Drogenabhängigen nach dem Ende ihrer Entziehungskur in Hohehorst - Zeit, um sich neuen Halt im Leben außerhalb der Anstalt zu suchen und dabei ständigen Kontakt mit den vertrauten SozialarbeiterInnen zu halten. Doch die Übergangswohnungen sind bis unters Dach belegt. Denn deren BewohnerInnen finden einfach keine eigene Bleibe mehr. Und die nachrückenden Therapie-PatientInnen können nicht aufgenommen werden.
„Die Übergangswohnungen sind eigentlich eine unablässige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie“, weiß auch Hohehorst-Geschäftsführer Martin
Grotjan. Doch trotz intensiver Suche konnte die Einrichtung keine einzige Wohnung - geschweige denn ein Haus - für diesen Zweck mieten. Sobald die ehemalige Drogenabhängigkeit der neuen MieterInnen bekannt wurde, sagten die VermieterInnen wieder ab.
Besonders fatal ist die Lage der Hohehorster PatientInnen deshalb, weil ihnen aus therapeutischen Gründen angeraten worden war, ihre ehemaligen Wohnungen zu kündigen und den Kontakt mit den alten Freundeskreisen abzubrechen, um nach dem Entzug ein neues - drogenfreies - Leben beginnen zu können. „Wir werden in drei Wochen einfach auf die Straße gesetzt“, befürchtet einer der acht Erwachsenen und vier Kinder, denen als erste die Entlassung ohne Platz in einer Übergangswohnung droht.
Dabei haben die Hohehorster ihr „Traumhaus“ schon entdeckt. Es ist groß, günstig in Bremen
Nord gelegen und steht seit Jahren leer. Die nötigen Renovierungsarbeiten würden die PatientInnen und künftigen BewohnerInnen zum größten Teil selber übernehmen. Die „Villa in Böhmers Park“ hat nur einen einzigen Nachteil: Sie gehört der Bundeswehr. Und die nutzt sie als Pfand, um die Vergrößerung ihrer „Schule Technische Truppen“ durchzusetzen. Doch dagegen wiederum spricht nicht nur die allgemeine Abrüstung, sondern auch eine rührige Bürgerinitiative in St.-Magnus. Und selbst Bremens CDU-Chef Bernd Neumann hält den Poker der Hardt-Höhe um die Standortvergrößerung für „nicht mehr sinnvoll“. Die leerstehende Villa verfällt unterdessen weiter.
Zur Hilfe bereit wäre die Bremische. „Wenn es einen Auftrag des Senats gibt, ein Haus aufzukaufen, dann machen wir das“, verspricht Prokurist Cordes, „das ist unser Geschäft“. Beim
Preis müsse man allerdings „beweglich sein“.
Doch einen „Auftrag des Senats“ wird es nicht geben. Denn die „Nachsorge“ in der Übergangswohngemeinschaft gehört nicht mehr zur anerkannten Therapie. Die Hohehorster SozialarbeiterInnen leisten sie zusätzlich - und auf eigene Rechnung. Zwar bestreitet auch der Drogenbeauftragte des Senats, van der Upwich, nicht den Sinn der Wohngemeinschaften. Die Wohnungssuche allerdings sei das Problem der Betroffenen: „Hier geht es doch um ganz private Mietverträge.“
Doch die kommen nicht zustande. Denn um „ganz normale Mieter“ handelt es sich bei den ehemaligen Drogenabhängigen im Verständnis von HausbesitzerInnen eben nicht. Bei Wohnungsnot bleiben am Ende diejenigen auf der Strecke, die die Wohnungen am dringendsten brauchen.
Dirk Asendorpf
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