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Oskar bleibt zweitklassig

Erstes Relegationsspiel: Der Kohl-Rivale zeigt sich beim 0:1 von Saarbrücken gegen Bochum als Souverän, bei Trainer Schlappner zeigt sich Altersstarrsinn  ■  Von der Saar Ch. Biermann

Der Mann weiß, wie er seinen Auftritt arangiert. Knappe fünf Minuten vor dem Anpfiff betrat er die Arena. Mitnichten durch eine VIP-Klappe an der Haupttribüne, sondern huldvoll lächelnd schritt er durch das Marathontor und - ganz Souverän - auf der Tartanbahn an seinem Volk vorbei.

Vor kurzem war der dem Tod noch ganz nah, da mußte seine öffentliche Wiederauferstehung natürlich in einem dieser Tempel gesund strotzender Körper stattfinden. Die Botschaft: Oskar is back! Oskar Lafontaine kam als Held in der Tarnkappe des normalen Zuschauers.

Bescheiden hielt er sich hinterher bei der Pressekonferenz im Hintergrund. Sein Genosse Heinz Eikelbeck, OB in Bochum, wollte ihn dagegen aufs Podium ziehn. „Geh nur, wenn du willst“, lächelte Lafontaine zurück, und Eickelbeck blieb natürlich und sog verwirrt die Aura des Großen.

Mit der Nachsicht des Landesvaters sprach Lafontaine von einem guten Spiel, aber auch er fühlte wohl, daß sich das Thema „Saarbrücken in der Bundesliga“ nach dem ersten der beiden Relegationsspiele erledigt hatte. Und Homburg ist bereits abgestiegen. Ein Ministerpräsident als Kanzlerkandidat ohne Bundesligist im Rücken, das wird wohl die Haupthypothek von Lafontaine sein; Kohl als Pfälzer hat immerhin noch den 1.FC Kaiserslautern.

Neben diesen weltpolitischen Implikationen verblassen natürlich die verwegenen Äußerungen von Saarbrückens Trainer Klaus Schlappner. Zwei Tage nach seinem 50.Geburtstag zeigten sich bei diesem notorischen Spezialisten für Hauruck -Fußball erste Hinweise auf Altersstarrsinn. Die biedere Zweitligaleistung seiner Mannschaft wertete er als „gutes Spiel“ und behauptete „sehr zufrieden“ zu sein. Selbst die Realität des 0:1 unterlag seiner bizarren Formulierungskunst: „Das war keine Niederlage, Bochum hat mit 1:0 gewonnen.“

Der Mythos des Mannes bröckelt, der den Birnenpflückerhut in die Trainingslehre eingeführt hat. Nach etlichen Jahren als Mediadarling in Mannheim entwickelte er sich zum Spezialisten für große Niederlagen. Wenn beim morgigen Rückspiel in Bochum kein sogenanntes Wunder passiert, darf Schlappi auf eine Serie von drei gescheiterten Versuchen in der Relegation zurückblicken: 1988 mißlang ihm bereits mit Darmstadt der Coup und im vergangenen Jahr scheiterte Saarbrücken an Frankfurt.

Schlappis Magie scheint verflogen, und den Hut hat er auch nicht mehr auf.

Das Spiel des FCS war von der Klasse der 1.Bundesliga aber auch weit entfernt. Allenfalls Schlegel, Pförtner und Yeboah konnten gegen den konzentrierten VfL Bochum mithalten; der Rest war magerer Durchschnitt, und vor allem der ehemalige Erstligakicker Michael Nußöhr war, von seiner bestechenden Ähnlichkeit zu Fernsehliebling Alf einmal abgesehen, ein Totalausfall.

Glanzlichter setzte eigentlich nur die Anzeigetafel im Ludwigspark. In bester Tradition naiver Volkskunst setzen die Glühlämpchen dort die Gesichter von Klaus Schlappner und Anthony Yeboah so ins Bild, daß man sich nur darüber wundern kann, daß beide überhaupt noch ungeschädigt ihrer Arbeit nachgehen. Für alle Fußballnovizen liefert dieses technische Wunderwerk überdies so hilfreiche schriftliche Hinweise wie: Eckball oder Freistoß, und nach zwanzig Minuten erschien völlig überraschend die Abschlußtabelle der Bundesliga.

Unbeeindruckt und ohne in größere Verlegenheit gestürzt worden zu sein überstand der VfL das Spiel. Nach dem verwandelten Foulelfmeter von Legat vergab er sogar noch einige gute Konterchancen. Die 5.000 Fans, die sich auf die vier Stunden lange Reise gemacht hatten, gingen nun jubelnd auf den Heimweg und daran, die Autobahnraststätten leerzutrinken.

Der erste Rasthof war bereits fest in Bochumer Hand, da mischte sich in die Sprechchöre und das Hupkonzert der Ruf einer kleinen Gruppe, die auch im Moment größten Überschwangs den Humor der Leidgeprüften vorführte; sie sangen: „Und so zogen wir in die Bundesliga ein, und werden niemals Deutscher Meister sein.“

SAARBRÜCKEN: Wahlen - Spyrka - Fuhl, Hönerbach - Eichmann, Schlegel, Hach, Pförtner (76. Schnürer), Nushöhr - Yeboah, Krätzer

BOCHUM: Wessels - Kempe - Oswald, Reekers - Heinemann (17. Legat), Ridder, Rzehaczek, Wegmann, Dressel (78. Hubner) Nehl, Leifeld

ZUSCHAUER: 30 000; TOR: 0:1 Legat (67./Foulelfmeter)

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