: Grün ist die Farbe des Dollars
■ Die US-amerikanische Presse vermarktet Umweltthemen / Alternativjournalisten für den Aufbau von Öko-Informationsnetzen / Werbung und Public Relations seien für die Umweltbewegung eine „Goldmine“
Der Dollar ist grün: Das ist in den USA auch den Medien aufgefallen. Über die Bildschirme Nordamerikas flimmern inzwischen täglich Sondersendungen mit Namen wie Earthwatch Today; jede größere Tageszeitung leistet sich einen Umweltreporter; und Titel wie Die Erde: Planet des Jahres ('Time‘) finden sich mindestens einmal im Monat in den großen Nachrichtenmagazinen.
„So viel Aufmerksamkeit für Umweltthemen ist ja gut und schön“, erklärte der New-Age-Vordenker Fritjof Capra vor mehr als 300 Journalisten, „aber den Planeten werden wir auf diese Weise nicht retten. Solange wir die Umwelt als eines von vielen Themen betrachten und nicht als die Grundlage all dessen, was geschieht - unseres Lebens, unserer Wirtschaft, unserer Politik -, werden wir die Probleme, vor denen wir stehen, nicht lösen.“
Capras Mahnung fiel auf fruchtbaren Boden: Er sprach zu einer Konferenz der nordamerikanischen Alternativpresse mit dem Thema Umwelt und Medien. Das Treffen hatte Alternativjournalisten und hochkarätige Umweltschützer nach Minneapolis gebracht, um die Rolle der Medien als „Frühwarnsystem“ in Umweltfragen zu erforschen. Teilnehmer wiesen allerdings bald bissig darauf hin, daß der Veranstaltungstitel ungeschickt gewählt sei: Luft- und Wasserverschmutzung, Artenvernichtung und Kahlschlag an Naturschätzen seien schließlich nicht erst in den letzten paar Jahren entdeckt worden.
„Einerseits ist es ein ungeheurer Triumph, daß der Treibhauseffekt endlich über die Abendnachrichten in jedes amerikanische Wohnzimmer gebracht wird“, meinte ein Redakteur der Chicagoer Wochenzeitung 'In These Times‘. „Andererseits werden diese Themen in den Establishmentmedien viel zu oberflächlich behandelt.“ Ein Beispiel sei die Berichterstattung über den bundesweiten „Tag der Erde“ am 21. April: „Wo du auch hinsahst, nichts als Erfolgsgeschichten. Stadt X pflanzt tausend Bäume, Schule Y richtet ein Recyclingprojekt ein. Aber keine Rede von den Widersprüchen in unserem Wirtschaftssystem, keine Rede von der Ausbeutung der Dritten Welt, die den Kahlschlag am Regenwald möglich macht. Und zwischen einer Umweltgeschichte und der nächsten kommt Werbung der Automobil- und Chemieindustrie.“
Wenn auch die kommerziellen Medien Zielscheiben der meisten Kritik sind, geht die Alternativpresse selbst nicht ungeschoren aus. Nach 40 Stunden Workshops und Podiumsdiskussionen zu Themen wie Grenzen und Möglichkeiten des Meinungsjournalismus trat einer der wenigen schwarzen Konferenzteilnehmer ans Mikrofon. Victor Lewis, Herausgeber eines Monatsblattes über „Armut, Rassismus, und Umwelt“, wies die Versammelten darauf hin, daß im Saal überwiegend Menschen weißer Hautfarbe, mittleren Alters und Einkommens saßen - eine Folge unter anderem des Veranstaltungspreises von mehreren hundert Dollar. „Wir sogenannten Minderheiten sind nicht 'gegen die Umwelt‘, wie es uns angelastet worden ist“, erklärte er. „Wir finden es nur schwierig, den weißen Umweltschützern zuzuhören, die sich spontan mit der Bedrohung des Kondors in Kalifornien identifizieren können, aber sich voller Furcht, Schuldgefühle, Verzweiflung oder was auch immer abwenden, wenn von Umweltrassismus die Rede ist.“ Gerade Alternativjournalisten dürften auch nicht vergessen, daß schwarze Ghettos, Indianerreservate und Entwicklungsländer bevorzugt als Standorte für Chemiemülldeponien und umweltzerstörende Industrieanlagen gewählt würden.
Die Massenmedien sind mittlerweile längst nicht mehr der einzige Weg, auf dem die Umweltbewegung an die Öffentlichkeit treten kann. In Workshops über Öko -Informationsnetzwerke, Kabelfernsehen und Computergrafik wiesen die Veranstalter darauf hin, daß es noch nie so einfach gewesen sei, mit geringem Aufwand Medien vom lasergedruckten Flugblatt bis zum Videospot herzustellen. Hier liefert die internationale Umweltorganisation „Greenpeace“ vielleicht das beste Beispiel: Sie produzierte letztes Jahr eine Reihe von 30-Sekunden-Spots mit bekannten Stars. Ausgestrahlt unter anderem auf dem Musikvideoprogramm „MTV“ brachten die Spots laut Greenpeace über eine Million neuer Beiträge.
Laut Herb Gunther, einem Werbespezialist für linke und alternative Organisationen, sind Werbung und Public Relations für die Umweltbewegung „eine Goldmine - wenn wir sie richtig einsetzen“. „Damit erreichen wir die Menschen, die eben nicht zu den Meetings gehen oder die Alternativpresse lesen. Wenn der erste Schritt zum Engagement - ein Telefonanruf, ein Brief - getan ist, können wir darauf aufbauen. Eines dürfen wir aber nicht vergessen“, fuhr Gunther fort, „wir können uns nicht von diesen Medientechniken vereinnahmen lassen. Es gibt immer noch ein Wir gegen Euch, und unsere Botschaft kann nur wirken, wenn wir das klar sagen.“
Monika Bäuerlein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen