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Markt und Natur

Was ist eigentlich Marktwirtschaft? (6. Teil)  ■  1*1 der Marktwirtschaft

Wie jede Wirtschaftsweise ist auch die Marktwirtschaft eine Form des Stoffwechsels zwischen Gesellschaft und Natur. Die Gesellschaft macht sich die Natur und die ihr innewohnende Produktivität zunutze. In der Marktwirtschaft wird die Natur zur Ware. Um für den Produktionsprozeß oder für den Konsum in gewünschter Form und Menge verfügbar zu sein, wird sie „erschlossen“, in ihre Bestandteile zerlegt und in die gewünschte Warenform gebracht. Der Preis der Waren bildet sich auf der Basis der Produktionskosten und des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage. Die „Produktionskosten“ der Natur gehen in ihn jedoch ebensowenig ein wie der Verlust, den die Entnahme der Ware für die Natur bedeutet. Auch wenn die Natur Jahrtausende gebraucht hat, um z.B. ein bestimmtes Mineral herzustellen, und auch wenn die Förderung dieses Minerals als Rohstoff ganze Landstriche veröden läßt - der Marktpreis orientiert sich an den monetären Kosten der Warenproduktion, und an der Marktlage. Die Produktivität der Natur gilt auf dem Markt nichts.

Auch in den traditionellen ökonomischen Theorien kommt sie nicht vor. Adam Smith betrachtete den Wohlstand der Nationen ausschließlich als Ergebnis der Fähigkeiten der Arbeitenden, unabhängig davon „wie der Boden, das Klima oder der Umfang einer spezifischen Nation auch beschaffen sein mögen.“ In der Marxschen Arbeitswerttheorie gilt ebenfalls nur die menschliche Arbeit als produktiv.

Die Marktwirtschaft funktioniert so scheinbar losgelöst von natürlichen Begrenzungen. Da der materielle Wohlstand der Gesellschaft nur von der menschlichen Arbeit abhängt, erscheint jegliches Konsumniveau als „machbar“, lediglich eine Frage der Technik, des Arbeitswillens und der Anpassungsfähigkeit der Menschen. Der Marktmechanismus, dessen Konkurrenzzwänge zu ständigen technischen Verbesserungen und Produktionssteigerungen antreiben, beruht auf dieser Fiktion unbegrenzter Wachstumsmöglichkeiten, und er erzeugt sie gleichzeitig.

Die Natur ist aber begrenzt. Ihre Mißachtung durch den Markt führt zwangsläufig zu ihrer Zerstörung. Die indische Ökologin Vandana Shiva schreibt: „Die Annahme, nur die Lohnarbeit sei die einzig produktive, Veränderung bewirkende Kraft, bildete die Grundlage für ein Modell zur völligen Neugestaltung der Welt. Das Ergebnis war fatal: Die Herabwürdigung der Natur und das Leugnen ihres aktiven Charakters führten letztendlich zu den ökologischen Krisen.“

Gabriela Simon

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