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SPD-Bürgermeister gegen Roma

Recklinghauser Bürgerinitiative will sich auf eigene Faust gegen Roma zur Wehr setzen / Proteste gegen Bleiberecht angekündigt / Bürgermeister kritisiert die nordrhein-westfälische Landesregierung  ■  Aus Essen Bettina Markmeyer

Gegen die geplante Anerkennung von Roma als de-facto -Staatenlose in Nordrhein-Westfalen regt sich Widerstand in den Kommunen. Der Bürgermeister von Recklinghausen, Jochen Welt (SPD), sagte gestern zur taz, die Landesregierung dürfe die Probleme, die mit der Anerkennung, Unterbringung und Sozialhilfefinanzierung von Roma verbunden seien, nicht auf „die Gemeinden als letztes Glied in der Kette“ abwälzen. Die ohnehin durch Flüchtlinge, Aus- und Übersiedler „bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit belasteten Städte“ fühlten sich mit der anstehenden Umsetzung des Roma -Bleiberechtserlasses von Innenminister Herbert Schnoor (SPD) „alleingelassen“. „Vor diesem Hintergrund“, so Welt, „halte ich das nicht für angemessen, was der Innenminister vorhat.“

In Recklinghausen hatten in den letzten Wochen Einheimische verstärkt gegen etwa 200 in einer abrißreifen Obdachlosensiedlung lebende Roma in ihrer Nachbarschaft mobil gemacht. Anfang Mai gründete sich die „Bürgerinitiative Strünkedestraße“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Abschiebung der Romafamilien zu erzwingen. Ihr Sprecher, Horst Steinharter, erklärte, da die Polizei nicht in der Lage sei, gegen die Belästigungen der deutschen Nachbarschaft durch die Roma „durchzugreifen“, müsse man sich notfalls „selbst zur Wehr setzen“. Eine erste Aktion der Bürgerinitiative scheiterte allerdings am vorletzten Wochenende. Steinharter hatte öffentlich angekündigt, den derzeit stattfindenden Roma-Bettelmarsch von Bremen nach Bonn auf seinem Weg durch Recklinghausen mit einer Autoblockade zu stoppen. Nachdem die Polizei die Aktion gegen den genehmigten Marsch untersagt hatte und sich auch Bürgermeister Welt um Vermittlung bemüht hatte, sahen die Roma-GegnerInnen von der Blockade ab.

Die Verwaltungsspitze Recklinghausens hat inzwischen auf die Proteste reagiert und zugesagt, die Roma in eine, bisher für Aus- und Übersiedler genutzte Schule außerhalb der Stadt zu verfrachten. Die Bürgerinitiative fordert jedoch mehr. Steinharter: „Der Erlaß muß weg.“ Er erwägt, die Anti-Roma -Kampagne landesweit auszudehnen und mit Aktionen in Düsseldorf sowie politisch und rechtlich gegen den Schnoor -Erlaß vorzugehen. Der Unterstützung der Recklinghauser Landtagsabegeordneten Marmulla (SPD) und Hegemann (CDU) hat Steinharter sich bereits versichert. Zweimal schon haben CDU, SPD und FDP im Sozialausschuß des Recklinghauser Stadtrats gemeinsam ein Integrationskonzept für Roma abgelehnt, das eine dezentrale Unterbringung vorsieht.

Unterdessen liegen 3.000 Anträge auf die Anerkennung der de -facto-Staatenlosigkeit von in NRW lebenden Roma im Innenministerium vor. Die Antragsfrist lief am 1. Mai ab. Im Innenministerium werden jetzt die Kriterien für eine Anerkennung erarbeitet. Nach einem entsprechenden Kabinettsbeschluß werden die Anträge dann an die Ausländerbehörden zur Bearbeitung zurückgeschickt.

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