Oskar Lafontaine

■ betr.: "Lafontaine als Dilemma der SPD", Kommentar von Klaus Wolschner, taz vom 28.5.90

betr.: „Lafontaine als Dilemma der SPD“, Kommentar von Klaus Wolschner, taz vom 28.5.90

Es scheint, als wollen die Herren die taz so richtig auf Vordermann, zumindest auf Linie bringen. Während Hartung am 1. Mai ruft „Straße frei für die Polizei“, entblödet sich Wolschner nicht, Lafontaine auch noch von rechts zu kritisieren und ihn für die Betonfraktion der SPD als nicht tragbar zu empfehlen.

Inhaltlich sind Lafontaines Äußerungen äußerst moderat; ein Versuch, sich und die SPD abzusichern, wenn in der DDR die kapitalistische Barbarei ausbricht.

Aber selbst das ist Wolschner zuviel: Andere Vorstellungen, als die von Helmut hat zur Zeit niemand, „auch Lafontaine nicht zu bieten“. Eins, zwei, drei, vier Millionen Arbeitslose sind halt gottgegeben, oder zumindest Resultat des demokratischen Befreiungsprozesses. Für seine Forderung der Anerkennung der Zweitstaatlichkeit hat er sich „zu schämen“, als ob nicht gerade die Nichtdurchsetzung dieser Forderung durch die westdeutsche Linke im Kalten Krieg es gerade jetzt dem BRD-Kapital möglich macht, so unverschämt billig den Laden zu übernehmen; vor einem Jahr hätte man sich noch nach 49 Prozent Beteiligung die Finger geleckt.

Doch wie am 1. Mai sehe ich das Ganze eher als ein Problem der taz. Wie lange will man sich es noch bieten lassen, daß gerade in den Momenten, in denen sich ein wenig gesellschaftlicher Widerstand äußert, die Herren Chefredakteure vorschickt, um zu zeigen wo's langgeht.

Während Mann mit den etwas wirren Autonomen ja noch verbal fertig wird, ist der Angriff auf Lafontaine auch eine Attacke auf den gesunden Menschenverstand. Hat doch mittlerweile jeder einigermaßen helle Geist in West und Ost mitgekriegt, daß das Kohlsche Projekt darin besteht, daß es den Brüdern und Schwestern erst einmal dreckig gehen soll, so ist dies laut Wolschner im politischen Raum auch für einen Lafontaine nicht mehr erlaubt. Und in maßloser Überschätzung seiner Person bietet er uns auch noch - so wie am gleichen Tage das Springer-Blatt 'BZ‘ in der Schlagzeile

-den Wendehals Momper als Lafontaine-Nachfolger an.

Bernhard Smandek, Berlin