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Die Hongkonger Aktivisten sitzen zwischen den Stühlen

■ Der Demokratiebewegung fehlt es vor dem Jahrestag des Massakers an Masse

Hongkong (taz) - Zum Cheung-Ming-Fest am 5. April, dem traditionellen Totengedenktag, waren es immerhin noch 10.000 Demonstranten, die der Opfer des 4.Juni gedachten. Am 20. Mai, dem Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechts in Peking, waren nur 3.000 auf der Straße.

Am 4. Juni selbst sind weitere Aktionen und Demonstrationen geplant, und sicher können die Organisatoren dann mit größerer Beteiligung rechnen. Dennoch sind die Perspektiven der Demokratiebewegung in Hongkong trübe. Zwar gehören zu dem Bündnis mit dem etwas komplizierten Namen „Allianz zur Unterstützung der patriotisch-demokratischen Bewegungen in China“ über 280 Gruppen, deren Mitglieder als Kommunalpolitiker durchaus eine Basis in der Bevölkerung haben, es fehlt aber eine politische Strategie, und die Aussagen und Aktionen der Allianz haben lediglich symbolischen Charakter.

Hinzu kommt, daß Peking ein wachsames Auge auf die Aktivisten in Hongkong wirft. Als Studenten des Polytechnikums begannen, T-Shirts zur Unterstützung der „Göttin der Demokratie“ zu verkaufen, kam gleich die Polizei, weil keine Genehmigung vorlag. Den christlichen Kirchen wurde das Queen-Elizabeth-Stadion für einen Gedenkgottesdienst zum 4. Juni verweigert, und als im April eine neue Partei, die „Vereinigten Demokraten Hongkongs“ gegründet wurde, glänzten die politischen Repräsentanten des Hongkonger Establishments durch Abwesenheit. Demokratie ist eben auch für den Kapitalismus Hongkongs keine notwendige Errungenschaft.

Seit dem Massaker vom 4. Juni lassen die offiziellen Vertreter Chinas keine Gelegenheit aus, politische Gruppierungen in Hongkong zu beschuldigen, sie wollten durch subversive Aktionen die Regierung in Peking stürzen.

Noch immer liegt ihnen schwer im Magen, daß die Demokratieaktivisten vergangenes Jahr Spenden in Millionenhöhe aufbrachten, die den Hungerstreikenden auf dem Tiananmen-Platz zuflossen. Darüber hinaus möchte Peking bereits vor 1997 in Hongkong mitregieren.

Das betrifft das geplante Großprojekt eines neuen Flughafens auf der Insel Lantau, vor allem aber die Verabschiedung eines „Bill of Rights“ und die Vergabe von 50.000 britischen Pässen an chinesische Bürger Hongkongs. Beides ist aus der Sicht Pekings eine Verletzung des chinesisch-britischen Abkommens und der Versuch, das Grundgesetz zu umgehen, das kein geringerer als Deng Xiaoping am 18. Februar als „schöpferisches Meisterwerk mit Bedeutung für die gesamte Menschheit“ gepriesen hatte.

Die Veranstaltung des Grundgesetzentwerfens war schon im vergangenen Juni zur Farce geworden, als mehrere Vertreter Hongkongs das Komitee unter Protest verließen und zwei von Peking gefeuert wurden. Der Rechtsanwalt Martin Lee und der Lehrergewerkschafter Szeot Wah galten hinfort als subversive Elemente, weil sie die Veranstaltungen und Demonstrationen der Demokratiebewegungen anführten. Die beiden Politiker sind die prominentesten Vertreter des liberalen Lagers, aber zwischen der dominierenden konservativen Geschäftswelt und den Festlandkommunisten sitzen sie isoliert zwischen den Stühlen.

Denn zu den Auffälligkeiten der Politik in Hongkong gehört, daß sowohl der britische Gouverneur und seine Verwaltung als auch die Vertreter der freien Hongkonger Marktwirtschaft ein weit größeres Interesse am gedeihlichen Fortgang der Geschäfte haben als an demokratischen Verhältnissen.

Dies wurde erneut sehr deutlich, als Anfang Mai die „Göttin der Demokratie“, das Radioschiff der chinesischen Dissidenten im Exil, den Hafen Hongkongs nicht anlaufen durfte.

Die Aktivisten der Demokratiebewegung haben dies ohne Proteste hingenommen und sich erst spät und ohne sichtbare Begeisterung entschlossen, Geld für das Schiff zu sammeln. Von allen Seiten unter Druck, fällt es ihnen zur Zeit nicht eben leicht, die Bewegung am Leben zu halten, die vergangenes Jahr noch Millionen Menschen auf die Straßen brachte.

Harry Oberländer

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