piwik no script img

Sorgen um Roland

Titelverteidigerin Arantxa Sanchez flog aus den French Open  ■  P R E S S - S C H L A G

Arantxa Sanchez‘ Hund heißt „Roland Garros“. Der Yorkshire -Terrier ist ein Geburtstagsgeschenk der Eltern nach Arantxas letztjährigem Triumph bei den French Open. Das kleine Tier weilt zm ersten Mal in der Stadt, nur: Heute sieht es ziemlich mitgenommen aus.

An der Leine von Mutter Sanchez läßt es sich lustlos mitschleifen. Roland mag heute gar nicht laufen. Aber auch die sonst so lustige Mama dreier außergewöhnlicher Tennistalente wirkt traurig. An einem einsamen Tisch in der Spielerlounge sinkt sie erschöpft auf einem Stuhl nieder. Was ist nur passiert? Ist Roland Garros krank?

Mike Estep, der amerikanische Trainer von Arantxa, betritt nun den Raum. Er trägt seine Baseball-Kappe ungewöhnlich tief im Gesicht, so als wollte er seine Augen verdecken. Trotzdem haucht er ein bemüht freundliches „Hello“ zu all jenen herüber, die ihn erkannt haben. Es ist das traurigste „Hello“, das je ein Mensch von sich gegeben hat. Roland, der Hund, muß in der Tat todkrank sein!

Irgendjemand stellt dem Terrier einen prall gefüllten Futternapf vor die Schnauze, aber Roland mag nicht fressen. Hat er sich schon aufgegeben? Die Mutter einer deutschsprachigen Spielerin hat Mut gefaßt, geht auf Mama Sanchez zu und nimmt sie herzlich in die Arme. Zärtliche Worte des Trostes sind es wohl, die jetzt ausgesprochen werden. Dannach betretene Stille.

Plötzlich taucht Arantxa höchstpersönlich auf, fröhlich lächelnd und beschwingt wie sie eben ist. „Hola, Roland“, ruft sie dem Hund zu. In Sekundenbruchteilen wie verwandelt springt das Tier kläffend auf, drückt sich mit seinem Halsband fast die Luft ab und gibt erst Ruhe, als es auf den Arm darf. Gierig kostet Roland von einem Stück Baguette, das ihm Arantxa anbietet. Ein glücklicher, zufriedener Terrier also. Aber warum schauen denn Mama und Mike dann immer noch so betreten drein?

„Arantxa hat gegen Mercedes Paz verloren“, flüstern sich zwei Spielerinnen einige Tische weiter zu. Das hilflose Fragen nach der Ursache der tiefen Erschütterung bei Mike und Mama S. hat nun doch eine Antwort gefunden. Keine einleuchtende freilich. Denn während Arantxa, mit Roland auf dem Schoß, in der Pressekonferenz schon die ersten Witze reißt, regiert an jenem Trauertisch in der Spielerlounge noch immer ehrfurchtsvolle Stille.

Tennis ist schon ein harter Sport. Niederlagen brauchen Zeit, um verarbeitet zu werden.

Ralf Stutzki

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen