: Nato von Portugal bis Wladiwostok Bonner Visionäre für Superbündnis
■ Kohl und de Maziere reisen nach Washington / Debatte um neues europäisches Sicherheitssystem geht weiter / Freidemokraten für euro-atlantische Allianz mit der Sowjetunion
Bonn/Berlin (ap/taz) - Nach dem amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen wird US-Präsident George Bush nacheinander mit den Regierungschefs der beiden deutschen Staaten zusammentreffen. Kohl, der bereits gestern abend in die USA reiste, wird am Freitag mit Bush zusammentreffen, um vor dem Hintergrund der Gipfelgespräche die Frage der äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung weiter zu erörtern. Drei Tage später ist der Ministerratspräsident der DDR, Lothar de Maiziere, erstmals zu Gast im Weißen Haus. Auf seinem am kommenden Samstag beginnenden Besuchsprogramm steht auch eine Ansprache vor Vertretern der jüdischen Gemeinde.
Im Mittelpunkt beider Begegnungen steht die künftige Rolle Deutschlands in den internationalen Beziehungen. Kohl hatte sich unmittelbar im Anschluß an die abschließenden Erklärungen von Gorbatschow und Bush in Washington positiv zu den Ergebnissen geäußert. Dabei beruft sich die Bundesregierung vor allem auf eine Äußerung von Bush, nach der er sich mit Gorbatschow einig gewesen sei, „daß die Entscheidung über die Bündniszugehörigkeit (des zukünftigen Gesamtdeutschlands) - in übereinstimmung mit der Schlußakte von Helsinki - Sache der Deutschen ist“. Dies, so die Interpretation auch des Auswärtigen Amtes, sei das erste Mal, daß Gorbatschow eine solche Formulierung unwidersprochen hingenommen habe.
Für die Bonner Oppositionsparteien SPD und Grüne hat der Gipfel dagegen gezeigt, daß die vollmundigen Erklärungen Kohls, der Schlüssel zur Einheit liege in Bonn, völlig daneben waren. Für die SPD erklärte ihr stellvertretender Fraktionschef Ehmke, die Bundesregierung solle nun in die Offensive gehen und gemeinsam mit der Regierung in Ost -Berlin bei den nächsten 2 plus 4 Verhandlungen, die am 20. Juni in Ost-Berlin stattfinden werden, eine Halbierung der deutschen Streitkräfte anbieten. Außerdem sollten beide deutsche Regierungen in einer Erklärung endgültig auf den Besitz jeglicher ABC-Waffen verzichten.
Nachdem bereits der Bonner Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Wimmer, vorgeschlagen hatte, daß Problem der deutschen Bündniszugehörigkeit dadurch zu lösen, der Sowjetunion ebenfalls die Mitgliedschaft in der Nato anzubieten, hat gestern der sicherheitspolitische Sprecher der FDP, Feldmann, einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Die FDP plädiert dafür, daß sich die Nato zu einer euro -atlantischen Allianz unter Einschluß der Sowjetunion entwickeln solle. „Die Aufgabe der Deutschen“, so Feldmann, sei es gerade, „die Sowjetunion in Europa einzubinden, ihr Europa zu öffnen und sie nicht hinauszudrängen“. Die euro -atlantische Allianz sollte einen ständigen Sicherheitsrat bilden der gemeinsame Vereinbarungen überwacht.
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