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Verbale Volley-Stops

■ Tennisdamen intern: gehäßige Sticheleien und Bösartigkeiten als lustiges Out-Court-Programm

P R E S S - S C H L A G Treffen sich zwei junge Damen beim Friseur. Sagt die eine: „Menschenskind, siehst du heute toll aus!“ Darauf die andere: „Oh, wirklich?“ - „Ja, in deinen Kleidern erinnerst du mich an eine alte Bekannte.“ - „Das ist ja toll! An wen denn?“ - „An meine alte Putzfrau.“ Ein Witz? Aber nein! Ein ganz normales Gespräch zwischen zwei Tennisspielerinnen bei den French Open 1990, mitgehört in dem kleinen Coiffeur -Salon, den die Spielerinnen kostenlos in Anspruch nehmen können.

Mag ja sein, daß die Damen ein langweiligeres, langsameres Tennis spielen als die Herren. Nur: Würde das Spiel zur Abwechselung einmal nicht auf dem Platz durch Schläge auf Filzbälle entschieden, sondern durch verbale Angriffe, wären die Herren den Frauen mit Sicherheit hoffnungslos unterlegen.

Was hier in Paris an Sticheleien und Gehäßigkeiten den Tag über ausgeteilt wird, ist eine wahre Wonne. Es ist schon lange offenkundig: Die Damen des professionellen Tenniszirkus mögen sich nicht sonderlich. Eine Niederlage auf dem Platz kommt vielen einer persönlichen Demütigung gleich: „Das verzeih ich dir nie, warte nur ab, ich werde es dir schon noch heimzahlen.“ Der Weltranglistenplatz bestimmt in erster Linie das Selbstwertgefühl.

Die härtesten Auseinandersetzungen gibt es wohl zwischen den Spielerinnen, die aus dem gleichen Land kommen. Das einige Australierinnen vor einigen Tagen in der Spielerkantine beim Essen laut klatschten und Bravo schrien, lag nicht etwa an der ausgezeichneten französischen Cuisine. Der Stadionsprecher hat nur gerade die Niederlage der höchstplazierten Landesgenossin verkündet. „Sie braucht das“, schmatzt die eine genüßlich beim Mittagessen.

Verbale Schläge werden besonders gerne an jene ausgeteilt, die in einigen Minuten auf den Platz zum Match müssen. „Ach“, sagte eine Deutsche zu einer deutschsprachigen Mitspielerin, „seit wann trägst du denn Adidas?“ - „Schon seit zwei Jahren.“ - „Und warum lassen sie dich Röcke tragen, die drei Nummern zu groß sind?“ Pause. - „Nun, im Gegensatz zu dir brauche ich diese Größe, um meine schönen, langen Beine zu bedecken.“ Vorteil Deutschsprachige!

Bisweilen herrscht eine etwas frostige Atmosphäre unter den Spielerinnen. Aber wenn man den extremen psychologischen Streß halbwegs begreift, unter dem die Frauen stehen, kommt Verständnis für ihre rethorische Härte auf. Es steht sehr viel auf dem Spiel. Außerdem hat sich der Tennissport zu einem äußerst harten Wettkampf entwickelt. Her kann nur überleben, der die Spielregeln auch außerhalb des Courts einhält.

So ist es denn auch kaum verwunderlich, daß die Sticheleien untereinander von den meisten Spielerinnen als völlig normal, ja lustig empfunden werden. Hier herrschen halt andere Maßstäbe unter anderen Bedingungen. Schnell ausgesprochene Bösartigkeiten werden genausoschnell vergeben und vergessen. Schließlich ist es ja auch möglich, daß man im nächsten Turnier zusammen im Doppel steht.

Ralf Stutzki (Paris)

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