: Ex-Mafia-Fahnder als Therapeut
■ Vor zehn Jahren entdeckte er die Waffen-Drogen-Linien in den Orient / Vor fünf Jahren versuchten die Clans, ihn in die Luft zu sprengen / Heute arbeitet Carlo Palermo als Drogentherapeut ...
Daß sich die Mafia-Clans nicht nur in Sizilien und Unteritalien tummelten, sondern längst auch in Oberitalien, ermittelte er schon, als es noch keinen „Antimafia-Pool“ mit dem berühmten Oberermittler Giovanni Falcone gab; daß der Drogenhandel immer mehr mit dem Waffengeschäft verbunden wurde und die wichtigsten Linien über den Balkan liefen, fand er heraus, lange bevor Italien mit Kronzeugenregelungen Bosse zum Sprechen brachte; und daß die Clans sich mit kriminellen Geheimlogen verbündet hatten, war eine Erkenntnis, die er zusammen mit seinem Kollegen Ciccio Montalto aus Trapani erarbeitete, kurz bevor dieser im Januar 1983 erschossen wurde: Carlo Palermo, 43, aus Avellino im Hinterland Neapels.
Er hatte als Untersuchungsrichter in Trient das besondere Pech, auf seinem beschaulichen Posten unvermittelt in eins der giftigsten Wespennester Europas zu geraten. Nach der Beschlagnahme einer Partie Opium in Jugoslawien und dem Ausbuddeln von hundert Kilo Heroin in einem Garten bei Trient stellte Palermo fest, daß eine Bande Mafiosi - die per Polizeiverfügung von Sizilien nach Oberitalien verbannt worden war - zuerst europaweit und dann über Bulgarien und die Türkei in den Libanon, den Fernen Osten und bis nach Südamerika ein dichtes Waffen- und Drogennetz aufgebaut hatte. Leopard-I-Panzer, Cobra- Helikopter, Raketen und gar Teile einer Wasserstoffbombe wurden da verscherbelt. Es war der erste „gesamteuropäische“ Waffenschieberskandal, auf den der Ermittler da gestoßen war.
Heute ist Palermo nicht mehr im Staatsdienst. Zum Verhängnis wurde ihm weniger die Entdeckung der Waffen -Connection selbst, die ihn für gewisse Kreise Italiens zur Unperson werden ließ, als vielmehr sein hartnäckiges Bohren nach den Leuten, die darin verwickelt waren. Da fand er nicht nur italienische und ausländische Geheimdienste, sondern auch andere Dunkelmänner und Bankiers. Einer davon stand den Sozialisten des Bettino Craxi besonders nahe. Die Herrschenden gingen zum Gegenangriff über. Die Regierungskanzlei begann ein wahres Scheibenschießen auf Palermo, der Oberste Richterrat überzog ihn mit Verfahren, die allesamt jedoch mit Freispruch endeten. 1985 beantragte er seine Versetzung - und ging ausgerechnet nach Trapani auf Sizilien, wo sein Freund Montalto Mafiakugeln zum Opfer gefallen war. Clans und Logen erkannten die Gefahr: Schon wenige Wochen nach seiner Ankunft explodierte eine Bombe neben seinem Auto. Er kam davon, verletzt und auf Dauer hörgeschädigt, weil im selben Moment ein anderer Wagen die Stelle passierte. Eine Frau starb mit ihren beiden Kindern.
Der Tod der drei änderte sein Leben. Ende 1989 quittierte er den Dienst. Er vollzog einen radikalen Wandel und arbeitet seitdem in Therapiegemeinschaften und mit Randgruppen. Im Mai ließ er sich als Linksunabhängiger ins Regional-Parlament Laziums wählen und kümmert sich nun vor allem um die Probleme der Peripherien, „die gerade wegen der Aufmerksamkeit auf die 'große Politik‘, des Aufbaus immer größerer politischer Einheiten und der Machtausübung durch anonyme Instanzen immer mehr gefährdet werden. Sich ihnen zu widmen ist heute mindestens ebenso wichtig wie der Kampf gegen internationale Banden und mafiose Clans.“
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