MÜTTERJAHRESVASEN

■ Eine globale Ausstellung über Frauen im Design seit 1900

Wer hätte das gedacht: auch im Design waren und sind Frauen völlig unterrepräsentiert. Und falls sich das jemand nicht bildhaft vorstellen können sollte, gibt's jetzt im Weddinger ehemaligen AEG-Gebäude und heutigen „Technologie- und Innovationspark TIB“ eine große gesamteuropäische sowie jahrhundertweite Mangelschau mit dem Titel Frauen im Design - Berufsbilder und Lebenswege seit 1900. Die kommt aus Stuttgart angewandert, wo sie vom dortigen Design Center zusammengestellt wurde, paßt bequem auf ein paar Quadratmeter Gründerparksdachgeschoßtrockenbodenfläche und hängt dennoch alle, die weder Rang noch Namen haben, ordentlichst nebeneinander auf - die Wände bio -schriftgetäfelt incl. Paßfoto ( 122 „Lebenswege“: z.B. „Steffi Heger, angestellt im VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen, zur Zeit im Mütterjahr“ oder „Sibylle Rossmann, angestellt als Designerin im VEB Stern-Radio Berlin, zur Zeit im Mütterjahr“ etc.), die Vitrinen und sonstige Lagerflächen beweiskräftig probeexemplargefüllt: Keksdosen, Mundduschen, BMW-Lenkrad, Eßbesteck, Vektorbohrmaschine, Kinderspielzeug, rolltreppenfähiger Gepäckwagen, Fahrzeug für Abwärtsfahrten, Elektronischer Druckplattenleser, Blumenvasen, Spektrophotometer, Stoffmuster, Stapelstühle etc. pp. Industriedesign, Möbeldesign, Textildesign, Frankfurter Küche, Kunstgewerbe, Bauhaus, Ulmer Hochschule für Gestaltung, Spanien, Italien, DDR, modern, postmodern -, egal, alles nebeneinander, alles durcheinander. Die Klammer ist die Frau, bzw. deren Finger, die sie trotz allem überall dran hat.

Gegliedert wurde lediglich nach Vergangenheit und Gegenwart, wobei die zeitgenössische Abteilung einen gewissen repräsentativen Anspruch erhebt, insofern die hier präsentierten Frauen vorjuriert worden waren, während der historische Teil ebenso werbesloganhaft wie grundehrlich „Leitbilder International“ heißt und wohl als eine Art femo -integrativer Erstschlag zur Selbstvergewisserung gedacht ist. Es geht nämlich in dieser Ausstellung weniger ums Design, sondern ums berühmte Bewußtsein, das von ersterem ja ansonsten angeblich immer wüst verdorben würde, während übrigens das Sein wirklich wenig aufs Design wirkt. Oder wie es im Ausstellungskatalog lapidar heißt: „Ein speziell weibliches Design konnte nicht herausgefunden werden, nur daß die Zahl der Kunstgewerblerinnen und Designerinnen neben den Männern sehr klein ist.“ Bleibt also neben dem sozialgeschichtlichen Aspekt eines solchen Unternehmens vor allem die pädagogische Maßnahme, und da liegt die Häsin im wohlgestalteten Pfefferstreuer: „Die Ausstellung präsentiert von Frauen entworfene Produkte aus den Bereichen Industrie und Möbeldesign und demonstriert erfolgreich, was eigentlich selbstverständlich ist: Frauen sind Designerinnen gut gestalteter (Industrie-)Produkte; den Vergleich mit Produkten, die von Männern entworfen wurden, muß keines der Exponate scheuen“, rückversichert die Öffentlichkeitsarbeit. Daß die Frauen nicht nur einfach das gleiche Geschlecht wie der Rest der Mehrheit der Menschheit haben, sondern hochqualifizierte Spezialistinnen sind, die wiederum auch auf dem Design-Sektor nicht nur irgend etwas entwerfen, sondern auch hier noch einmal absolut partikulär arbeiten (was hat schließlich die Gestaltung einer Keksdose mit dem Entwurf für die Münchner U-Bahn zu tun?), und daß sie nicht zuletzt eben gerade Designerinnen sind und dabei Problemlösungen innerhalb von bestimmten funktionalen und ästhetischen, aber gewiß nicht geschlechtsspezifischen Kontexten erarbeiten, wird dabei glatt unterschlagen bzw. wegnivelliert. Nichts gegen eine historische Bestandsaufnahme und schon gar nichts gegen die gezeigten Gegenstände, aber mit Verlaub: sich Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hinzustellen und zu meinen, in all dieser allgemeinsten Allgemeinheit sagen zu müssen, daß auch Frauen irgend etwas können, ist entweder kriecherisch oder einfach unverschämt.

Gabriele Riedle

„Frauen im Design - Berufsbilder und Lebenswege seit 1900“ bis 8.Juli im Technologie- und Innovationspark Berlin (TIB), Gustav-Meyer-Allee 25. Der ebenso zweisprachige wie zweibändige Katalog kostet 38 DM.

Außerdem wird am 13. und am 27.Juli, sowie am 4. Juli (jeweils mittwochs um 18 Uhr im TIB) noch zu den Themen „Deginerinnen heute - über die Erfahrungen von Frauen in einem Männerberuf“, über „Künstlerinnen, Filmemacherinnen, Designerinnen - Bericht aus einem Forschungsprojekt“ und schließlich über „Frauen am Bauhaus“ vorgetragen. Am Mittwoch, 20. Juni, um 19.30 Uhr wird ferner in der Akademie der Künste podiumsdiskutiert und nach dem Motto: „Frauen im Design - Frauen-Design?“, der übliche Alleszusammenhang konstruiert.