Tropenwald -„Großes Geld führt zu großen Fehlern“

Mit Milliardenprogrammen will die Bundesregierung die kommerzielle Nutzung im Urwald forcieren / Enquete-Kommission hält „nachhaltige“ Forstwirtschaft für möglich Opposition warnt vor weiterer Zerstörung und legt Alternativkonzept vor: Entschuldung der Dritten Welt soll den Verwertungsdruck von den Wäldern nehmen  ■  Von Helmut Hagemann

„Zahlreiche Experten halten eine nachhaltige Holznutzung in weiten Teilen tropischer Wälder für prinzipiell möglich“, verkündet die Enquete-Kommission „Erdatmosphäre“ des Bundestages in ihrem kürzlich vorgelegten Bericht.

Während Umweltschützer von der Tropenholzwirtschaft als den „Mördern des Waldes“ reden, verklausuliert der Kommissionsbericht diese Täterschaft bis zur Unkenntlichkeit. Zwar heißt es, die Kommission habe „neben einem Beispiel eines sorgfältigen Nutzungsverfahrens“ überwiegend mangelhafte Einschlags- und Transportverfahren festgestellt. Doch dies liegt scheinbar an einer verbesserungsfähigen Praxis, nicht aber an der Unmöglichkeit nachhaltiger Tropenforstwirtschaft. Denn übertriebenes Gewinnstreben habe „das Interessen an einer nachhaltigen und ökologisch verträglichen Nutzung“ nur verdrängt.

Diese Mißbräuchlichkeit des Berichtes ist symptomatisch für das Gesamtwerk. So werden zwar an vielen Stellen gravierende Probleme eingeräumt. Im Bemühen aber, nach allen Seiten unangreifbar zu sein, bleibt dann oft eine klare Stellungnahme aus.

„Nachhaltigkeit“ ist der zentrale Begriff des Berichts. Er bezeichnet wirtschaftliche Aktivitäten in Tropenwäldern, die als dauerhaft praktikabel angesehen werden. Stammt dieser Begriff ursprünglich aus der europäischen Forstwirtschaft, so bestimmt er heute die Tropenwald-Debatten. Viele Unternehmer und Technokraten behaupten inzwischen, die Regenwälder ließen sich dauerhaft holzwirtschaftlich nutzen. Nachhaltigkeit ist zum Schlüsselbegriff für die Idee geworden, daß sich in den Regenwäldern Ökonomie und Ökologie vereinbaren lassen.

Dieser Illusion wird neben den verschiedenen Umweltschutzgruppen auch von Grünen und Sozialdemokraten widersprochen. In einem Zusatzvotum bezweifeln sie, ob selbst die als forstwirtschaftlich nachhaltig bezeichnete, „vernachlässigbar kleine“ Tropenwaldfläche diese Bezeichnung verdient hat. Während die Tropenholzlobby vor der Enquete -Kommission betonte, daß die Forstwirtschaft in den australischen Regenwäldern ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit sei, belegt die Opposition mit offiziellen Unterlagen deren Scheitern.

Die Handlungsempfehlungen der regierungsnahen Kommissionsmitglieder bauen auf dem Glauben an Nachhaltigkeit auf: Wenn die Regenwälder Gewinn brächten, würden sie nicht mehr gerodet. Dagegen setzt die Opposition darauf, den Ausbeutungsdruck von den Regenwäldern zu nehmen.

Die Regierungsparteien wollen die Entwicklungshilfe für Tropenwaldprojekte drastisch erhöhen. Die Bundesrepublik soll zukünftig 500 Millionen D-Mark, die EG weitere zwei Milliarden D-Mark und ein internationaler Fonds zehn Milliarden D-Mark jährlich bereitstellen. Damit wird letzten Endes der Bock zum Gärtner. Denn bisher sind große Regenwaldgebiete gerade der Entwicklungshilfe (Besiedlung, Bergbau, Staudämme, Holzwirtschaft) zum Opfer gefallen.

Der brasilianische Umweltschützer Lutzenberger hatte die Kommission gewarnt, daß große Geld und große Fehler eng zusammenhängen. So wird auch die angepaßt wirtschaftende, traditionelle Bevölkerung mit Riesensummen leicht aus dem Gleichgewicht geworfen. Wenn auch große Beträge in Naturschutzparks fließen sollen, so droht dennoch großes Unheil. Die Kommissionsmehrheit will nämlich die Strukturen der Entwicklungshilfe nicht verbessern. Sie sieht weder eine drastische Verschärfung der Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Überprüfung der Sozialverträglichkeit vor. Auch soll die Bevölkerung keinen Zugang zu wichtigen Projektakten haben. Die in der Mehrheitsstrategie angelegten Gefahren werden dadurch verstärkt, daß ausgerechnet der fatale Tropenforstwirtschaftsaktionsplan (TFAP) von Weltbank und FAO eine noch wichtigere Rolle spielen soll. Der TFAP soll zur Grundlage einer internationalen Konvention gemacht werden. Dann sollen Tropenwaldländer internationale Hilfsgelder nur noch erhalten, wenn sie sich diesem Plan anschließen. Da es weltweite Proteste gegen den TFAP gibt, will die Kommissionsmehrheit den TFAP aber verändern - er soll zu einem „Tropenwaldschutzplan“ fortgeschrieben werden. „Alten Wein in neue Schläuche zu füllen“, sieht der grüne Kommissionsvertreter Wilhelm Knabe in diesem Verfahren.

Die Kommissionsmehrheit will erreichen, daß die Tropenwaldzerstörung bis zum Jahr 2010 aufhören soll. Bis 2030 soll dann in den Tropenländern durch Aufforstungen die Waldfläche von 1990 wieder hergestellt werden. Zwanzig Jahre lang werden demnach weitere Vernichtungen - bis zu drei Millionen Quadratkilometer - zugelassen. Dies wäre sowohl ökologisch als auch für die betroffenen Waldvölker eine Katastrophe. Außerdem nährt dieses pharaonische Wiederaufforstungsprogramm die Illusion, die Schäden seien durch Wiederaufforstungen wiedergutzumachen. Im Gegenteil aber vergrößern Wiederaufforstungen in den Tropen bisher meistens die Zerstörungen (Erosion, sinkender Grundwasserspiegel, Landkonflikte).

Eine internationale Tropenwald-Konvention soll laut Kommissionsmehrheit diese Ziele rechtsverbindlich machen. Die Industrieländer sollen dabei vor allem mit Geld helfen. Von den Tropenwaldländern wird dagegen die radikale Abkehr von der gegenwärtigen, ressourcenzerstörenden Wirtschafts und Entwicklungspolitik verlangt. Diesen Wandel mit einer solchen Tropenwald-Konvention erreichen zu wollen, ist etwa so erfolgversprechend, als forderte die Dritte Welt von den Industrieländern den Ausstieg aus der Automobilgesellschaft.

Eine öko-imperialistische Richtung haben auch die schuldenpolitischen Vorschläge von CDU/CSU und FDP. Zwar wollen sie weitere Schuldenerleichterungen gewähren - aber nur im Gegenzug zu den üblichen Strukturanpassungsmaßnahmen, die auch bisher schon von Internationalem Währungsfonds und Industrieländern diktiert werden.

Dieser Strategie steht das gemeinsame Minderheitenvotum von Grünen und SPD gegenüber. Die Einfuhr von Tropenholz soll verboten und Importe weiterer Produkte, die zur Regenwaldzerstörung führen, sollen vermindert werden. Daneben stehen Forderungen nach einer Verbesserung der Austauschverhältnisse für die Dritte Welt, um den Verwertungsdruck auf die Wälder zu vermindern. Weitere Zielscheibe sind die transnationalen Konzerne und Banken, die durch einen verbindlichen Verhaltenskodex kontrolliert werden sollen. Die Bundesrepublik habe eine Schrittmacherrolle im Entschuldungsprozeß zuübernehmen, um den Zwang zum Devisenerlös drastisch zu reduzieren. Die bi und multilaterale Entwicklungshilfe soll radikal reformiert werden, um modellhafte Regenwaldschutzprojekte durchzuführen. Als wichtigstes Instrument wollen SPD und Grüne einen internationalen Kompensationsfonds einrichten. Daraus sollen jährlich mindestens 20 Milliarden DM Entschädigungen gezahlt werden, damit Tropenwaldländer zum Beispiel Holzkonzessionen annullieren.