Menschenversuche

■ Stalins Geheimdienst ließ Gefangene mit Giftspritzen ermorden / 'Moscau News‘ veröffentlicht Geheimnisse

Berlin (ap) - Mit Giftspritzen und vergiftetem Essen sind mindestens 150 Menschen in sowjetischen Gefängnissen ermordet worden. An ihnen wurden Mordtechniken ausprobiert, die ein eigens zu diesem Zweck eingerichtetes geheimes Labor entwickelte. Dieses Verbrechen der Stalin-Ära enthüllt die sowjetische Wochenzeitung 'Moscau News‘ in ihrer jüngsten Ausgabe. Danach waren der stalinsche Geheimpolizeichef Lawrentij Berija und zwei seiner Untergebenen für die „Experimente an lebenden Menschen verantwortlich“. Sie waren „auf der Suche nach Methoden, um mit verschiedenen Giften Meuchelmorde zu begehen“. Die Ausführung der Menschenversuche oblag Wissenschaftlern des Geheimlabors, die ihre Opfer - zum Tode verurteilte Gefangene - mit „dem Essen, mit den Spitzen von Spazierstöcken oder Injektionen“ ermordeten. Mehrere Dutzend weitere Menschen sollen heimtückisch in geheimen Wohnungen in Moskau, Uljanowsk, Saratow, in den Karpaten und in der Ukraine umgebracht worden sein.

Die 'Moscau News‘ bezieht ihre Informationen aus den jahrzehntelang geheimgehaltenen Memoiren des Marschall Kirill Moskalenko. Der Marschall war 1953 von Chruschtschow mit der Festnahme Berijas beauftragt worden. Zusammen mit einer Gruppe „vertrauenswürdiger Leute“ - darunter auch der „mutige General und politische Arbeiter“ Leonid Breschnew holte Moskalenko den Geheimpolizeichef aus einer Regierungssitzung heraus. Neun Monate nach dem Tod Stalins wurde Berija im Dezember 1953 von sowjetischen Funktionären exekutiert, die befürchteten, der Geheimpolizeichef würde seine Methoden dazu benutzen, selbst an die Macht zu kommen.

In der Anklageschrift gegen Berija erklärte der Leiter des Geheimlabors, der nur Maironowski genannt wird, über die Opfer der Menschenversuche: „Ich kenne ihre Namen nicht, ich weiß nicht, wessen sie schuldig waren.“