: Gesamtdeutscher Wassernotstand in Sicht
■ „Demokratische WissenschaftlerInnen“ warnen
„Wenn wir den Trinkwasser verbrauch innerhalb der nächsten Jahre nicht um mindestens 30 bis 40 Prozent senken, trocknen Bundesrepublik und DDR von innen aus.“ Mit dieser Erkenntnis endete am Samstag die Jahrestagung des Bundes demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi) in Hamburg.
Während sich die vier Ministerpräsidenten der Nord -Bundesländer am Freitag in Bremen auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Nordseeproblematik einigten, diskutierten WissenschaftlerInnen aus DDR und BRD bereits alternative Wege aus der Wasserkrise. Lernansätze soll der entsorgungstechnologisch hochgerüstete Westen unter anderem aus der von Umweltskandalen gebeutelten DDR übernehmen. „Die DDR mußte schon immer mit dem Wasser haushalten und hat deshalb auch Strategien entwickelt, die unsere Industrie dazu brachten, ihren Wasserverbrauch innerhalb der letzten zehn Jahre um 25 Prozent zu senken“, erläuterte Professor Günther Streibel von der Ostberliner Humboldt-Universität. Eine Erhöhung des Wassernutzungsgelds von vier auf zwölf Pfennige zusammen mit einer Wasserkontingentierung und eine drastische Erhöhung des Industrieabgabepreises von 30 Pfennigen auf 1,15
Mark haben nach Meinung des Umweltökonomen zu einem bewußteren Umgang mit Wasser geführt. „Unser Hautproblem ist allerdings die Wasserqualität. Wir haben nicht zu wenig Wasser, sondern zuviel verschmutztes“, so Streibel. In beiden deutschen Staaten sei das Oberflächenwasser derartig stark belastet, daß es für die Trinkwassergewinnung nicht mehr in Frage komme.
Allein in der DDR können schon heute rund 1,4 Millionen Einwohner nicht mit Trinkwasser versorgt werden, das der bundesdeutschen Trinkwasserverordnung (TVO) entspricht. In fast tausend Gemeinden darf Säuglingsnahrung nicht mit Leitungswasser zubereitet werden.
Die Aussichten für die Bundesrepublik sind keineswegs besser. „Allein 50 Prozent aller bedrohten Arten auf der Roten Liste werden in den nächsten Jahren aussterben, wenn der Wasserraubbau in den Naturschutzgebieten so weitergeht“, schätzt Thomas Kluge vom Frankfurter Institut für Sozialökologische Forschung. Zu dem auf der Tagung erarbeiteten Forderungskatalog gehören deshalb auch die Zurückdrängung der industriellen Wasserversorgung aus Naturschutzgebieten und die Sanierung der bereits „versauten“ Flüsse und Meere.
Sonia Shinde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen