: Nochmal Lügen vor dem hessischen Parlament
Schwerer Verdacht gegen Ministerpräsident Wallmanns Staatskanzleichef Alexander Gauland nicht entkräftet / Sondersitzung des Landtags soll Vorwürfe jetzt klären ■ Aus Frankfurt Mathias Bröckers
Die in der taz vom 26.Mai erhobenen schweren Vorwürfe gegen den Chef der hessischen Staatskanzlei Alexander Gauland wurden auf der Hauptauschußsitzung des hessischen Landtags am 1.Juni nicht ausgeräumt. Gauland soll bei der Versetzung des Ministerialrats für Kirchen und Religionsgemeinschaften Rudolf Wirtz mit falschen eidesstattlichen Versicherungen und Lügen vor dem Parlament operiert haben.
Im Gegenteil verstrickte sich Staatssekretär Gauland bei der auf Antrag der CDU unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Befragung in derart eklatante Widersprüche, daß für den heutigen Montag eine Sondersitzung des Landtagshauptausschusses anberaumt wurde. Einziger Tagesordnungspunkt: Gaulands Aussagen vor dem Hauptausschuß des Landtags am 16.Februar. Wie berichtet, hatte am 15.Februar der offizielle Beauftragte der katholischen Kirche in Wiesbaden, Prälat Franz Kaspar, den Kanzleichef aufgesucht und ihn gebeten, im Ausschuß zu erklären, „daß er, Dr. Kaspar, sich nicht bei ihm, Dr. Gauland, über (die Amtsführung des Kirchenbeauftragten) Wirtz beschwert habe.“ Tags darauf in der Sitzung befragt, ob der Vertreter der katholischen Kirche erklärt habe, daß er als Beschwerdeführer nicht in Frage komme, hatte Gauland geantwortet, davon sei ihm „nichts bekannt“. Zu dieser offensichtlichen Falschaussage erklärte Gauland dann dem Hauptauschuß am 1.Juni, die Kaspar zugeschriebene Äußerung sei „völlig aus der Luft gegriffen“, er habe diese Bitte nicht in seiner Eigenschaft als Beauftragter der katholischen Kirche, sondern im Namen des versetzten Beamten Wirtz abgegeben.
Immerhin gab der Staatssekretär jetzt ausdrücklich zu, was er vor dem Hauptausschuß im Februar noch vertuscht hatte: daß ihn der Prälat am Vortag der Sitzung aufgesucht hat. Daß dieser freilich ausdrücklich um ein persönliches Gespräch mit dem Kanzleichef nachsucht, um statt einer eigenen nur die Bitte eines versetzten Beamten zum Ausdruck zu bringen dies schien dem Hauptausschuß des Landtags ebenso ungereimt wie die weiteren Ausführungen Gaulands zu diesem Fall, die in der heutigen Sondersitzung geklärt werden sollen.
So schwer es dem alerten Kanzleichef und „Alter ego“ von Ministerpräsident Wallmann fallen wird, die Vorwürfe zu entkräften, derzeit kann er sich noch auf zwei ausgeprochen unheilige Allianzen verlassen: Zum einen auf eine Absprache der katholischen Bischöfe Lehmann (Mainz) und Kamphaus (Limburg) mit dem evangelischen Kirchenpräsidenten Spengler, sich in dieser Sache erst zu äußern, wenn sie gerichtlich dazu gezwungen sind. Zum anderen auf die Journalisten der hessischen Landespressekonferenz, die sich in Sachen des allseits beliebten Kanzleichefs offenbar ebenfalls abgesprochen haben: Außer der überregionalen taz haben nur einige regionale Zeitungen im Bundesgebiet über den Fall Gauland berichtet, hessische Zeitungen indes schwiegen sich bisher dazu aus.
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