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Polens Kleinhändlern geht's an den Kragen

Polen verstärkt Grenzkontrollen gegen illegalen Handel / Ab 1. Juli sollen neue Regelungen die Exporte nach Österreich stoppen  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Der große Wolga mit polnischem Kennzeichen und Campingwagen steht mitten auf der Brücke zwischen dem polnischen und dem slovakischen Teil Teschens. Weiter wird er wohl auch nicht kommen, denn ein junger polnischer Zollbeamter hat unter dem Teppich der Türverschalung insgesamt 30 Packungen westlicher Zigaretten entdeckt - eine Anzahl, die die angeblichen Bulgarienurlauber nicht ohne eine Prise schwarzen Humors als Wegzehrung bezeichnen.

Und schon ist das Dilemma da: Formell gesehen ist die Ausfuhr von in polnischen Devisenläden gekauften Waren unbegrenzt erlaubt. Informell sind sich die Zöllner in Teschen sicher, daß die Zigarretten wegen des enormen, durch die Differenz in der Tabak- und Mehrwertsteuer verursachten Preisgefälle auf dem Wiener Mexikoplatz landen werden. Und um zu verhindern, daß mit Österreich auch noch das letzte westliche Land, in das Polen ohne Visa reisen dürfen, die Schlagbäume senkt, gilt die Maxime: hart durchgreifen. Also wird der Wolga mit dem Hinweis, „duty free“ gelte nur für den persönlichen Bedarf, zurückgeschickt.

„Ab 1. Juli hört der Spaß auf“, verkündet Zygmunt Janczyk, Pressesprecher der Warschauer Zollhauptverwaltung. „Dann werden alle gleichbehandelt.“ Bisher wurde Zoll nur von Import-Exportunternehmen erhoben. Wenn Andrzej Kowalski in seinem Polski Fiat 80 Kilo Bananen aus Wes-Berlin mitbrachte und als Wegzehrung deklarierte, winkten ihn die Zollbeamten meist durch. Ab 1. Juli wird auch er Umsatzsteuer und Zoll bezahlen. Größere Mengen dürfen nur noch importiert werden, wenn das Gewerbe angemeldet ist. Dann wird, so vermutet Janczyk, ein Großteil der fliegenden Händler verschwinden. Damit durch die dadurch aufweniger werdenden Kontrollen der normale Reiseverkehr nicht behindert wird, werden die Grenzstationen ausgebaut - für Touristen gibt es dann eine „grüne Spur“.

Auch die Händler stellen sich natürlich auf die neue Lage ein. Sie kennen die Bestimmungen ganz genau - die Gesetzeslücken eingeschlossen. Ein Zollbeamter: „Es gibt inzwischen die sogenannte 'Wiener Packung‘, das heißt eine Kollektion all der Gegenstände, die nach der internationalen Tourismuskonvention legal ein- und ausgeführt werden dürfen: eine Packung Zigaretten, zwei Liter Alkohol, eine Sonnenbrille und noch einiges mehr. Alles zusammen darf einen Wert von 200 Dollar haben. Und dieses Sammelsurium hat jeder potentielle Mexikoplatzbesucher im Gepäck - dagegen ist nichts zu machen.“ Auch nicht von seiten der österreichischen Zollbehörden, die nach Aussage polnischer Reiseveranstalter aber trotzdem polnische Reisende zurückschicken. Wie sich Österreichs Zoll in Polen auch nicht der besten Reputation erfreut. Ein Reiseführer: „Österreichische Zollbeamte sind unverschämt, mit allen gleich per Du - und wenn sie in einem Reisebus einige Schmuggler erwischen, schicken sie nicht nur diese zurück, sondern gleich den ganzen Bus.“ Eine Kritik, die man so auch über westdeutsche Zöllner, besonders aber über die Zollbeamten der DDR hört. Mit ihnen geraten die polnische Zollbeamte gelegentlich in ein Handgemenge.

Den Händlern und Schmugglern weht der Wind ins Gesicht, auch von polnischer Seite. „Täglich werden 1.000 bis 1.200 Handelsreisende von den polnischen Behörden an den Grenzen zurückgewiesen“, zitiert Janczyk aus seinen Unterlagen, „an Wochenenden sind es bis zu 4.000.“ Neben Tabak und Alkohol haben sie auch schon mal ein kurioses Gepäck: so versuchte kürzlich ein Bauer, seine Milchkuh über die Grenze zu bringen.

Jährlich verreisen statistisch gesehen 52 Millionen Polen ins Ausland; dem stehen 3.800 Zollbeamte gegenüber. Um der Personalknappheit abzuhelfen, forciert der erste zivile Chef der Zollverwaltung, Bartoszewicz, zur Zeit die Auflösung der dem Innenminister unterstehenden Grenztruppen. Es wird geplant, daß künftig Polens Grenzen nur noch von einem Amt überwacht werden.

Um Schwarzhandel dennoch unter Kontrolle zu bekommen, wird es demnächst gemeinsame österreichisch-polnische Kontrollen schon an der polnischen Grenze geben. Ein entsprechendes Abkommen steht kurz vor der Unterzeichnung. In Wien wird dann ein Zollattache residieren, und österreichische Bußgelder werden dann auch von den polnischen Behörden kassiert werden. Die Zusammenarbeit funktioniert schon jetzt. Ein Zollbeamter: „Wenn bei uns etwas legal ausgeführt wird, von dem wir wissen, daß die Einfuhr in Österreich zollpflichtig oder verboten ist, schicken wir den Kollegen in Wien ein Telex und umgekehrt.“ Amtshilfe gibt es auf diesem Weg auch bald mit der Bundesrepublik. Denn die Händler haben sich für den 1. Juli schon wieder etwas Neues einfallen lassen: Von Wiener Einzelhändlern lassen sie sich doppelte Rechnungen ausstellen - eine hohe für die Mehrwertsteuererstattung an der österreichischen Grenze und eine niedrige für die Zollgebühr in Polen.

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