Fernsehen, Bildersucher und Insassen

■ Ein Abend mit der Amateurvideogruppe „Gröpelinger Monatsschau“

Die besten Namen überdauern sogar ihren Sinn: Die Videogruppe „Gröpelinger Monatsschau“ hatte anfangs, vor fünf, sechs Jahren, geplant, einem gleichfalls geplanten Stadtteilfernsehen ein monatliches Magazin beizutragen. Nichts wurde aus alledem, die Urgruppe ist, bis auf einen, in alle Winde auseinandergegangen, die Neuen haben sich nun eineinhalb Jahre Arbeit gemacht mit ihrem jüngsten Videofilm, aber „Gröpelinger Monatsschau“ heißen sie immer noch, sind Leute wie du und du da auch, aber neulich, stellvertretend für uns, die wir nicht hingehen, im Knast gewesen. Mit offenen Kamera-Augen, die Mikrophone ganz Ohr, haben sie sich getastet durch Abgeschiedenheit und soziale Steppe. Ihr Film zeigt, daß sie in Oslebshausen ein Abenteuer erlebt haben müssen.

„Oslebs - Der beste Knast der Republik“, so heißt der Film. Dauert dreißig Minuten und enthält die ganze Ratlosigkeit eines richtigen Erlebnisses. „Erst sind wir auf den Grünstreifen an der Anstalt gegangen und haben Pas

santen interviewt“, erzählt Ulrike Wache-Ilenborg von der „Gröpelinger Monatsschau“. Einfach weil sie was wissen wollten über den Knast und die Welt. Passanten wissen aber auch nicht viel. Mußten sie schon rein. Genehmigung kam schnell, kein Problem, dann aber. Drinnen sehen sie lauter zufriedene Gesichter, „als wär man draußen“, sagt Henrik Siebel, die Leute sagen, sie fühlen sich wohl, können nicht klagen. „Geglaubt haben wir's natürlich nicht“, sagt Ulrike. „Aber wir wußten natürlich auch nicht“, Henrik muß kichern, „was wir nun überhaupt filmen sollten.“

Haben sie also erstmal geredet mit Insassen, noch und noch, Gänge gefilmt, Mauern, Zellen, die Küche. Haben eine Ahnung gekriegt, daß die Gefangenen, denen es gefällt, nicht für den Knast sprechen, sondern gegen die Welt.

Zuhause dann kommt erst die Schwerarbeit:Tonbänder durchhören, das Bildmaterial sichten. Einen Plan machen, den Plan umschmeißen. In den Schneideraum gehen, schnipseln, probieren; pro

Filmminute kann man eine Stunde Schnittzeit rechnen, sagt Henrik, und gleich sieht sein Lächeln ganz erschöpft aus.

Aber warum zeigen sie die Gefangenen nicht? „Manche wollten nicht, klar“, sagt Ulrike, „auch wäre unsinnig viel Papierkrieg dafür nötig gewesen.“ So sehen wir hilflos wegblickende Bilder, sehen Hände, Körperteile, was die Gefangenen vollends zu Fremden macht. Geht es ihnen da nicht genau wie dem Fernsehen, dem manchmal ganz elend und schwach wird, weil es alles bebildern muß, auch was eben gar keine Bilder verträgt? Da nicken alle. Manchmal war es schon schwer, etwas Befriedigendes zu

finden, sagen sie. Manchmal haben sie bloß gefüllt. Machen sie also Video oder bloß ihr eigenes Fernsehen? Nein, bloß nicht Fernsehen! „Nun ja, das Gerät“, gibt Henrik zu, „ist das gleiche.“ Ulrike hingegen versteht, was ich meine, murmelt „doch, doch“, schweigt einen Gedankenstrich lang und sagt: „Jetzt aber, wenn ich fernsehe, schaue ich auf die Technik, sehe immerhin, wie die Filme gemacht sind.“ Das kennen sie; fast alle hatten von der Filmerei keine Ahnung, sind zur Videogruppe aus purem Interesse gestoßen, „einfach so“.

Und wie bringen sie ihre eigenen Filme unter die Leute? Das ist schwer, sagen sie. Zwar sind sie

bei der befreundeten Gruppe WIEDEO mit im Katalog, aberes gibt ja keine funktionierende Video-Amateuer-Szene, obwohl massenhaft gefilmt wird, aber fast nur Hausmacherware für den Wohnzimmergebrauch. „Das Problem ist“, sagt Henrik, „daß man, wenn man Publikum haben will, den Leuten zumuten muß, ihre Fernseher zu verlassen und sich vor öffentliche Geräte zu setzen. Kaum jemand wagt, sich in Konkurrenz zum Fernsehprogramm zu begeben.“ scha

Wer Interesse am Knastfilm oder der Gruppe überhaupt hat, wende sich an Ulrike Wache-Ilenborg (544157) oder Sabine Bothke (615636).