: Radikalkuren nur mit Rot-Grün
■ Der grüne Standpunkt in der Umweltpolitik muß wirksamer vertreten werden - nicht aus der Opposition
Ob es umweltpolitisch sinnvoll ist, das gegenwärtige rot -grüne Bündnis fortzusetzen, läßt sich am besten an einigen Beispielen verdeutlichen. Das Hahn-Meitner-Institut hat in den vergangenen Jahren einen Atomreaktor gebaut, der zu Forschungszwecken dienen soll. Gegenwärtig wird über die Betriebsgenehmigung entschieden, für deren Erteilung die grüne Umweltverwaltung zuständig ist. Auch wer der Meinung ist, daß der Reaktor in Betrieb gehen sollte, kann nicht übersehen, daß eine Inbetriebnahme erhebliche Probleme aufwirft. Stand der Technik bei solchen Reaktoren ist insbesondere ein sogenanntes Containment, das heißt eine sichere Betonabschirmung des Reaktors beispielsweise gegen Unfälle und Sabotageakte. So wird gegenwärtig im CSU-Land Bayern ein ähnlicher Forschungsreaktor gebaut, und es ist selbstverständlich, daß dieser nur mit Containment errichtet werden darf. In dem für Störfallbetrachtungen relevanten Radius um das HMI leben etwa vier Millionen Menschen; kein Reaktor der BRD steht auch nur annähernd so nahe an dichtbesiedeltem Gebiet wie dieser.
Ein weiteres Problem dieses Reaktors ist die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente. Die Gefährlichkeit liegt darin, daß das Uran dieses Reaktors im Gegensatz zu dem eines AKWs hochangereichert und daher waffentauglich ist. Ob solches Material gegenwärtig überhaupt entsorgt werden kann, ist jedenfalls in der westlichen Welt sehr umstritten.
Was mich an diesem Reaktor gegenwärtig am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, daß die SPD-Vertreter im Senat nicht bereit sind, die Probleme des Reaktors überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Die SPD-Mehrheit des Senats vertritt nicht etwa den Standpunkt, der Reaktor sei potentiell gefährlich, könne aber unter bestimmten Voraussetzungen in Betrieb gehen; sie vertritt vielmehr den Standpunkt, daß der Reaktor ungefährlich sei. Aus meinen ziemlich umfangreichen Erfahrungen in anderen Bundesländern kann ich sagen, daß kein CDU-Minister so töricht wäre, wenn er eine solche Anlage genehmigen möchte, ihre grundsätzliche Gefährlichkeit in Frage zu stellen. Politisch erinnert der Streit fatal an die letzte Zeit der rot-grünen Koalition in Hessen, wo die SPD nicht mehr bereit war zu diskutieren, ob die Plutonium -Fabrik Alkem illegal und sicherheitsgefährdend arbeite und sich dies nach dem Bruch der Koalition dann von mehreren Gerichten bestätigen lassen mußte.
Ein weiteres Beispiel betrifft die Umweltpolitik in Groß -Berlin. Ab Juli hat der Senat aufgrund des Umweltrahmengesetzes wesentliche Zuständigkeiten für die katastrophale Umweltsituation in Ost-Berlin, wo bekanntlich eine große Koalition regiert. Man kann sich gegenwärtig schwer vorstellen, wie die notwendigen Radikalkuren für die Betriebe und Anlagen in Ost-Berlin ohne eine grüne Westberliner Umweltverwaltung möglich sein sollen. Das gleiche gilt für die Frage, wie verhindert werden kann, daß die zu erwartenden Industrieansiedlungen im Großraum Berlin zu einer Zersiedelung der Grün- und Erholungsgebiete in der näheren Umgebung führen werden.
Daß eine AL in der Opposition hierauf wirksam Einfluß nehmen könnte, halte ich für ausgeschlossen. Im Gegenteil wäre angesagt, daß der grüne Standpunkt im Senat und bundespolitisch deutlicher und lauter vertreten wird.
Dr. Rainer Geulen, Rechtsanwalt
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