: Dresdens Rechte in Schlips und Kragen
Gründung des Kreisverbandes Dresden der Partei der Republikaner am Wochenende / Demokratielegitimation wurde zur Farce ■ Aus Dresden Detlef Krell
Während sich die sächsische Hausfrau in der Nachbarschaft nach pensionierten RAF-Terroristen umschaut, wichst Sohnemann die Stiefel für den Tag der deutschen Einheit. Etwa 200 „deutsche Söhne“ traten am Samstag in der Dresdner Eckkneipe „Sibyllenort“ an, um den Kreisverband Dresden der Partei der Republikaner zu gründen. Die gastliche Stätte, von Skins hermetisch abgeriegelt, konnte nur von geladenen Mitgliedern und Gästen betreten werden.
In einem programmatischem Entwurf distanzieren sich die Republikaner von Faschismus und Nationalsozialismus. Grund genug für den harten Kern der Skins, unter Protest den Saal zu verlassen. Die Partei wolle den Austritt Deutschlands aus den Militärblöcken, die Beschlagnahmung des SED-PDS- und Stasivermögens und ein „gesundes“ Ausländergesetz, daß den Zuzug von „Wirtschaftsasylanten“ unterbinde. Wirtschaftshilfe nach Rußland, Polen und Mexiko sollte nach Meinung der Republikaner eingestellt werden, da diese Länder reich an Bodenschätzen seien und bei „vernünftiger Politik und Arbeitseinstellung“ in der Lage wären, sich selber zu helfen. Wer die Republikaner immer noch verbieten wolle, hieß es in dem Papier weiter, dem seie nicht mehr zu helfen.
Einen Vorstoß in Richtung demokratischer Legitimation unternahmen die Republikaner gleich am nächsten Tag. Zu einer Diskussionsrunde unter dem Motto „Miteinander sprechen, statt gegeneinander hetzen“ hatte die westdeutsche Zeitung 'Deutsche Linie‘ am Sonntag in den Dresdner Kulturpalast eingeladen. Rund 100 meist junge Leute waren gekommen, die Rechte in Schlips und Kragen („Glatzen“ mußten draußenbleiben) und ein Häuflein Linke. Gesprächspartner waren unter anderem Dr. Reinholdt Oberlechner, ehemaliger Vorsitzender der Außerparlamentarischen Opposition in Hamburg und nach eigenen Angaben marxistischer Revolutionstheoretiker, und Manfred Rouhs von den Republikanern der BRD, Joachim Kuhne, ehemaliger stellvertretender Bezirksvorsitzender der Jungen Union Ost -Berlin. Doch schon die Eingangsstatements zeigten, daß sich die Herren nicht nur im Schlips ähnelten.
Auf Oberlechners Einschätzung, die gesamtdeutsche nationale Revolution sei stehengeblieben, paßte die Forderung von Rouhs, eine nationale Aristokratie müsse über Differenzen hinweg eine Gesellschaft etablieren, die auf nationaler Identität, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit beruhe. Oberlechner sieht in der Wirtschaft den letzten Bereich , wo „deutsche Tugenden“ wirksam seien. Die Fundamente seines Zukunftsbaus faßte er unter den „Elementen einer modernen Fassung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation“: europäische Freihandelszonen, europäische Verteidigungsgemeinschaft und europäische Weltpolitik. Soziale Fragen ließen sich, so Oberlechner, nur national und nicht im Weltmaßstab lösen. In der Diskussion auf diese These angesprochen, gab der „Marxist“ noch eins drauf. Wenn die Brasilianer nur mit der Abholzung des Regenwaldes ihre Probleme lösen können, dann dürfen sie eben nicht so viele Kinder in die Welt setzen. Es gehe nicht an, daß diese Länder einfach ihre Not exportieren.
Leidenschaftlich vertrat Manfred Rouhs die demokratischen Intentionen seiner Partei. Die vom dritten Reich verübten Verbrechen, ungeachtet aller Diskussionen über die Zahl der Opfer, ziehe für ihn die Konsequenz nach sich, daß das System des Nationalsozialismus konsequent abzulehnen sei. Auschwitz - eine Lüge, war aber für den eben erst gewählten Dresdner Rep-Chef doch noch ein Thema. Von David Irving wußte er, daß jedenfalls die Deutschen die Gaskammern in Auschwitz nicht bedient haben, „was dort vergast worden ist, das ist eine ganz andere Fragen“.
Oberlechner warnte seine jungen Zuhörer, das Thema Auschwitz überhaupt anzukratzen. Denn Auschwitz habe für die Menschen in der Bundesrepublik eine religiöse Dimension. So gefährlich wie es früher in der DDR war, zu sagen, Honnecker sei ein Verbrecher und die FDJ überflüssig, so gefährlich sei es heute in der Bundesrepublik, zu sagen, in Auschwitz habe es keine Gaskammern gegeben.
Derart in die historische Mangel genommen, verschlug es links wie rechts im Saal die Sprache. Nur ein Mädchen fand die Lektion peinlich. Und wurde gleich noch mit einigen Kernsätzen bedacht. Als Höhepunkt des Nachmittags angekündigt, kam Herr Marx herein, Pressesprecher der NPD in Frankfurt/Main. Er schickte alle multikulturellen Gesellschaftskonzepte zum Teufel, noch immer saß ihm der Schreck in den Knochen über den Vorstoß Daniel Cohn-Bendits im Frankfurter Stadtparlament, den heiligen Tag der deutschen Einheit auch mit allen Nichtdeutschen zu feiern. Wer nun Deutscher und wer nun nicht Deutscher sei, war eine Frage aus dem Publikum, aber nicht für Herrn Marx. Er liebt nicht nur einfache Antworten, sondern auch klare Bilder: Wenn eine Negerin hier von einem Deutschen ein Kind bekomme, dann sei das kein deutsches Kind. Wenn eine Katze im Kuhstall Junge würfe, würden das ja auch keine Rinder. Donnernder Beifall bei den Schlipsträgern im Saal.
Der Einladung zufolge war dieser Diskussionsnachmittag als eine Verständigung politischer Gruppierungen von links bis rechts angelegt. Eine Verständigung kam an diesem Nachmittag nicht zustande. Die Frage, was denn die Politiker einer Eskalation der Gewalt unter der Jugend entgegenzusätzen hätten, prallte bei den Herren im Präsidium ab.
Eine Lektion ihres Demokratieverständnisses hatten Skin -Abteilungen am Freitag mit einem Überfall auf das Büro der Vereinigten Linken erteilt. Von Überfällen betroffen sind seit Wochen vorzugsweise die alternativen Cafes und besetzten Häuser in der Äußeren Neustadt. Mitglieder der Vereinigten Linken und der Autonomen Antifa hatten die Bevölkerung mit Flugblättern auf die Republikaner -Zusammenkünfte hingewiesen und gebeten, bei Gewalttätigkeiten nicht „wegzusehen“.
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