: „Sterbehilfe für die Ozonschicht“
■ Greenpeace veröffentlicht vorab den Tenor der Minister-Konferenz zur Rettung des Ozongürtels
Hamburg (taz) - Das „Montreal-Protokoll 1990“ zur Rettung der Ozonschicht, das ab morgen auf der Umweltminister -Konferenz in London verhandelt und noch in diesem Monat endgültig abgesegnet werden soll, wird nach Ansicht von „Greenpeace“ der schützenden Erdhülle einen weiteren Schlag versetzen. Die Umweltorganisation veröffentlichte gestern ihre Kritik an dem in seinen Grundzügen vorab bekanntgewordenen Abkommen, das eigentlich als Verschärfung des alten Montrealer Protokolls von 1987 gemeint ist. Deprimierendes Fazit der Regenbogenkämpfer: Auch nach den neuen Bestimmungen dürfen noch einmal 50 Prozent mehr ozonzerstörende Substanzen produziert werden, als heute schon in die Atmosphäre entlassen wurden. Bereits veröffentlichte wissenschaftliche Erkenntnisse würden schlichtweg ignoriert.
Zwar existiert noch kein offizieller Entwurf für das Montreal-Protokoll 1990, doch die Vorschläge der einzelnen Unterzeichnerländer sowie der Kompromißvorschlag der UNEP (United Nations Environmental Programme) stecken seine Umrisse klar ab: Danach werden auf die Liste der Ozonkiller, die bis zum Jahre 2000 stufenweise abgebaut werden sollen, zwar eine Reihe weiterer chemischer Lösungs-, Kühl- und Schäumungsmittel aufgenommen, doch dafür werden die ebenfalls ozonschädigenden teilhalogenierten FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) als Ersatzstoffe für die bisher hauptsächlich in der Schußlinie befindlichen vollhalogenisierten FCKW akzeptiert. „Eine Milchmädchenrechnung“, so Greenpeacer Wolfgang Lohbeck: „Wenn man die gesamte Lebensdauer dieser Chemikalien betrachtet, können die teilhalogenierten FCKW nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht als weniger ozonschädlich angesehen werden.“
Das gesamte Ausstiegsprogramm kranke an zwei Grundfehlern: Erstens gingen alle offiziellen Szenarien davon aus, daß sich der Ozonschleier in der Stratosphäre, der alles Leben auf der Erde vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne schützt, bei einer Chlorkonzentration von zwei Billionstel Prozent wieder erholen kann. Doch diese Grundannahme werde von Wissenschaftlern bereits in Zweifel gezogen. Zweitens würde es selbst bei einem sofortigen und hundertprozentigen Produktionsstopp der im Protokoll aufgezählten FCKW noch mindestens 60 Jahre dauern, bis die Chlorkonzentration auf diesen Wert gefallen wäre. Doch weil der Ausstieg noch lange auf sich warten lasse, weil eine Kontrolle über die Einhaltung des Abkommens nicht vorgesehen und weil den Dritte-Welt-Ländern der Zugang zu Alternativtechnologien verweigert werde, werde das Montrealer Protokoll 1990 laut Greenpeace nicht mehr als ein weiterer Akt in Sachen „Sterbehilfe für die Ozonschicht“ sein.
Gabi Haas
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