: „Alles, was wir tun, ist politisch“
Marian Munteanu, der Vorsitzender der Bukarester Studentenliga, wurde im Krankenhaus verhaftet, weil er geheime Personaldaten des Nachrichtendienstes gestohlen haben soll ■ Von William Totok
„Sollte die Front zur Nationalen Rettung die Wahlen gewinnen, dann werde ich verhaftet.“ Mit diesem prophetischen Satz verabschiedete sich Marian Munteanu (28), der Vorsitzende der oppositionellen Studentenliga aus Bukarest, am 19. Mai von mir. In den Wochen vor der gewaltsamen Räumung des zur „kommunismusfreien Zone“ erklärten Universitätsplatzes entfachten die der Front nahestehenden Publikationen, allen voran die Tageszeitung 'Azi‘ („Heute“), in deren Redaktion ehemalige Ceausescu -Journalisten einen Unterschlupf gefunden haben, eine unbeschreibliche Verleumdungskampagne gegen die Opposition. Marian Munteanu wurden nicht nur Spitzeldienste für die „aufgelöste“ Securitate unterstellt, sondern auch Opportunismus während der Ceausescu-Diktatur vorgeworfen, weil er damals der KP beigetreten war und aus Angst vor Unannehmlichkeiten es nicht gewagt hatte, sich einen Bart stehen zu lassen. (Bärtige galten damals als Staatsfeinde.) Der angehende Philologe Munteanu wurde weiter als „inkompetenter Student“ bezeichnet, als „Verräter“ beschimpft, der sich für eine Handvoll Dollar dem US -Imperialismus verkauft haben sollte. „Wir wollen unsere Prinzipien durchsetzen, das Prinzip der Freiheit, der Demokratie, der Kompetenz, der Entpolitisierung des Unterrichts und das der Legalität. Alles, was wir tun, ist politisch“, so Munteanu über die Studentenliga.
Zwei Tage vor Munteanus Verhaftung veröffentlichte das Nachfolgeblatt des Zentralorgans der KP, 'Adevarul‘ („Die Wahrheit“) vom 16. Juni eine letzte Horrormeldung über den nach der Räumung des Universitätsplatzes schwerverletzten Munteanu. Die Schutzengel der Front, die Bergarbeiter, wollen in einer Tasche die geheimen Personaldaten von Offizieren des rumänischen Nachrichtendienstes entdeckt haben, die der Studentenführer entwendet habe. Außerdem berichtete die Zeitung, daß die Arbeiter bei dieser Gelegenheit 22 Schußwaffen beschlagnahmt hätten, die im Keller der Universität versteckt worden seien. Aufgrund dieser erfundenen Anschuldigungen wurde Munteanu aus dem Krankenhaus heraus verhaftet. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Seine Frau Claudia flüchtete aus Angst vor weiteren Repressionen in die holländische Botschaft.
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