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Fälschungsauftrag von oben

■ Behörden der Minister Stoltenberg und Bangemann fälschten Gutachten / Verfasser des fingierten Gutachtens wird am Donnerstag als Zeuge vernommen

Berlin (taz) - Neue Dokumente, die der taz vorliegen, erhärten den Verdacht, daß die Bundesregierung die Ermittlungen gegen die Kieler Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) und das Ingenieurkontor Lübeck (TKL) manipuliert hat, um zu erreichen, daß die Firmen trotz der illegalen Lieferung von U-Boot-Konstruktionsplänen nach Südafrika straffrei ausgehen. Im Mittelpunkt des neuen Verdachts stehen gleich zwei Bundesbehörden: das seinerzeit Finanzminister Gerhard Stoltenberg unterstellte Kölner Zollkriminalinstitut (ZKI) und das dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann unterstellte Bundesamt für Wirtschaft (BAW) in Eschborn.

Wie aus einem Vermerk des ZKI Ende November 1988 hervorgeht, hat der Referatsleiter im BAW, Detlev Geisel, gegenüber den Kölner Zollfahndern zugegeben, daß ein zentrales Gutachten seiner Behörde unrichtige Angaben enthielt. Es handelte sich um die von Geisel vefaßte sogenannte „technische Stellungnahme“ zur Frage, ob Südafrika mit den von HDW und IKL gelieferten Konstruktionsunterlagen zum Bau eigener U-Boote in der Lage sei. Dieses Gutachten vom 22.Mai 1987 diente der Kieler Oberfinanzdirektion (OFD) als Begründung für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die U-Boot-Firmen. Es kam laut der Einstellungsverfügung der OFD Kiel vom Januar 1988 zu dem Ergebnis: „Mit einem Waffensystem hat das, was gebaut werden kann, nichts zu tun. Die Unterlagen sind somit nicht als wesentlich für den Bau eines U-Boot-Schiffskörpers oder von dessen Teilen anzusehen.“ Der Sachverständige im Referat VI 4 des BAW, Bauer, war allerdings zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Am 30. November 1988 teilte er anläßlich einer Besprechung im BAW den ZKI-Kollegen mit, „daß er seinerzeit die Ansicht vertreten habe, daß die nach Südafrika ausgeführten Konstruktionspläne durchaus unter die Genehmigungspflicht fielen, auch wenn mit ihnen noch kein komplettes U-Boot zu fertigen war.“ Auf die Frage, warum diese Meinung nicht in sein Gutachten eingeflossen sei, erklärte Geisel, „daß er seinerzeit von 'höheren Orts‘ aufgefordert worden sei, ein Gutachten zu unterzeichnen, wonach die bekannte Ausfuhr von U-Bootplänen nach Südafrika genehmigungsfrei sei“. Die ZKI-Beamten notierten daraufhin entsetzt, daß es aufgrund des „unrichtigen“ Geisel -Gutachtens bisher nicht zu den „entsprechenden Ermittlungen nach dem Außenwirtschaftsrecht gekommen sei“.

Dies hinderte die Stoltenberg-Behörde aber nicht daran, sich nun ihrerseits an der Vereitelung der nötigen Ermittlungen zu beteiligen. Vom Bundesfinanzministerium aufgefordert, zu einer Strafanzeige der Grünen Stellung zu nehmen, die aufgrund der rechtlich unhaltbaren OFD -Entscheidung die Einschaltung der Staatsanwaltschaft forderte, gab Jürgen Rump vom ZKI dem Ministerium in einem Schreiben vom 7. Dezember 1988 zwar zu bedenken: „Die geschilderten Umstände lassen Ermittlungen nach § 34 AWG als geboten erscheinen.“ Aufgrund des BAW-Gutachtens, das die Genehmigungspflicht der gelieferten Pläne verneine, kämen jedoch Ermittlungen nicht in Frage und die Verfahren seien einzustellen. Der Verfasser des „beeinflußten“ U-Boot -Gutachtens, Detlev Geisel, wird am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestages als Zeuge vernommen.

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