: Bayern im Vorwahlkampf: Quo vadis, CSU?
Vor dem CSU-Parteitag in Leipzig: Deutsch-deutsches Abenteuer hält CSU nach wie vor in Atem / Im Freistaat scheint die absolute Mehrheit bei den kommenden Landtagswahlen gesichert / Trotzdem bröckelt der Alleinherrschaftsanspruch der einst allmächtigen CSU ■ Aus München Luitgard Koch
„Eigentlich wollt‘ ich später mal stolz sagen können, ich bin schon zehn Jahr‘ dabei. Aber jetzt überleg ich mir, ob ich austret‘.“ Der junge Ingenieur ist CSU-Mitglied. Für jemanden, der im Freistaat auf der Sonnenseite der Macht stehen wollte, waren solche Überlegungen noch vor einiger Zeit undenkbar. Doch seit der CSU-Schlappe bei den bayerischen Kommunalwahlen Anfang März dieses Jahres - fast acht Prozent büßte die frühere Strauß-Partei ein - scheint der bisher monolithische, schwarze Block abzubröckeln.
Doch nicht nur der innerbayerische Erosionsprozeß macht der CSU zu schaffen. Düster sieht's vor allem in Hinblick auf ihre Zukunft in Gesamtdeutschland aus. Denn mit ihrer Bruderpartei im Osten, der DSU, sind die Christsozialen inzwischen nicht mehr besonders glücklich.
Zwar gibt man sich nach außen hin immer noch zuversichtlich, doch spätestens nach dem kläglichen Ergebnis der DSU bei den DDR-Kommunalwahlen war klar, daß es mit diesem Partner nicht einfach werden würde, einen gesamtdeutschen Blumentopf zu gewinnen. Inzwischen wird in CSU-Kreisen immer wieder laut über eine Strategie nachgedacht, um das Abdriften in die Bedeutungslosigkeit einer unscheinbaren Regionalpartei zu verhindern.
Als erster stieg Edmund Stoiber in den Ring. Der bayerische Innenminister sprach sich öffentlich für eine Expansion über den Weißwurstäquator aus. Einmarsch in die DDR war seine Devise. Sofort jedoch wurde sein Statement von CSU -Pressesprecher Peter Hausmann als „persönliche Meinung“ verkauft. Diese persönliche Meinung teilt Stoiber freilich auch mit dem CSU-Hardliner und inzwischen zum Münchner CSU -Chef gekürten Staatssekretär im Innenministerium, Peter Gauweiler.
Der 41jährige Bräutigam - Ende Juli steht der Saubermann (über dessen Sexualleben heftigst spekuliert wurde) mit seiner Eva vor dem Traualtar - forderte ebenfalls den Export des bayerischen Markenartikels. „Der Reiz der weißblauen CSU ist ihre Bavarität“, stellte er jedoch gleichzeitig fest. Diese zu konservieren und damit den Charakter einer Volkspartei zu erhalten, liegt auch dem Vorsitzenden der CSU -Landtagsfraktion, Alois Glück, am Herzen. Und dabei ist er sich mit dem schwäbischen CSU-Chef Theo Waigel sowie dem aus Oberammergau stammenden Ministerpräsidenten Max Streibl einig: Es wird nix mit der Expansion.
Freilich kommt diese vornehme Zurückhaltung nicht von ungefähr. Längst hat der Kanzler Kohl ein Machtwort gesprochen und indirekt gedroht. Daß sich die DSU in CSU umbenennt oder gar trunken vom „Kreuther-Geist“ - von ihrem Bergdomizil Wildbad-Kreuth drohte Strauß 1976 mit einer bundesweiten CSU - bundesweit antritt, sei unmöglich, steckte Kohl dem DSU-Fraktionschef Helmut Walther. In diesem Fall würde auch die CDU in Bayern aufkreuthsen.
Dann versuchte die CSU, nach ihrem deutschlandpolitischen Kongreß, bei einem Spitzengespräch mit der DSU in Leipzig die Wogen zu glätten. Keine Expansion, lautete danach die offiziell ausgegebene Parole. Doch inzwischen gibt es schon wieder Ärger mit den unruhigen DSUlern. Und wieder muß CSU -Generalsekretär Erwin Huber die drüben zur Ordnung mahnen. Daß Walther wieder mit der leidigen Expansionsdiskussion anfängt und diesmal sogar vorschlägt, die DSU werde sich bundesweit ausbreiten, darf er nicht unwiedersprochen lassen.
Als „Profilierungsversuche“ und „Parforceritte“ bezeichnete Huber deshalb den neuerlichen Vorstoß Walthers. Welche Marschrichtung nun eingeschlagen wird, scheint sich sehr bald zu zeigen. Denn beim DSU-Parteitag am kommenden Wochenende steht genau dieser Streit wieder auf der Tagesordnung.
Allerdings scheint diese bevorstehende Auseinandersetzung für die Schwarzen derzeit nicht mehr ganz so bedrohlich, da sie im Freistaat nach dem Abdanken von REP-Chef Schönhuber vorerst wieder Land sehen. Der drohende Verlust der absoluten Mehrheit bei den kommenden Landtagswahlen scheint damit abgewendet. Die bayerische FDP ist nach wie vor eine vernachlässigbare Größe, und auch um die Sozis braucht sich die CSU keine Gedanken zu machen. Deren widersprüchliche Haltung in Sachen „Müllpolitik“ hat die SPD Stimmen gekostet. Daß ihr Spitzenkandidat, Frankenboß Karl-Heinz Hiersemann, im Landtag mit der CSU einen faulen Müllkompromiß aushandelt und sich gemeinsam mit ihnen gegen das Volksbegehren stellt, hat manchen potentiellen SPD -Wähler verprellt.
Nach dem Motto „Mehr Glück als Verstand“ war den Schwarzen seit dem Tod von Strauß das Schicksal hold. Elegant und ohne ihr Zutun wurden sie in der Oberpfalz den leidigen Unruheherd WAA los, und Streibl konnte als großer Arbeitsplatzbeschaffer für die Oberpfälzer wieder einige Punkte gut machen. Trotzdem ist die CSU nicht mehr ganz so selbstherrlich wie unter Strauß. Hektische Betriebsamkeit entfaltet sie plötzlich in Sachen „Wohnungspolitik“. In eiligst von der Staatskanzlei verordneten Pressekonferenzen entdeckt das „Pärchen Gauweiler und Justizministerin Berghofer-Weichner plötzlich sein Herz für die Mieter. Und plötzlich dämmert es Innenstaatssekretär Gauweiler: „Auch das Gehalt eines Staatssekretärs erhöht sich nicht alle drei Jahre automatisch um drei Prozent.“ Aus diesem Grund soll jetzt auch dem Vermieter dieser Reibach verboten werden. Aber freilich nur in Ballungszentren und nur solange, bis sich der „Markt wieder erholt“ hat. Daß die CSU in Bonn genau diese Vorschläge niederstimmte, stört die Parteifreunde in Bayern nicht. Auch um die Senioren will sich die CSU jetzt verstärkt kümmern.
Damit im Herbst nichts schief geht, versäumt Finanzminister Tandler keine Gelegenheit zu betonen, daß die deutsche Einheit die Bayern gar nichts kostet. Wie schön es die Bayern haben und wie gut und menschlich ihr Ministerpräsident ist, auch das wird ihnen vor den Wahlen mit farbenprächtigen Fotos der Streibl-Familie eingebleut. Seit gestern hat nämlich jeder bayerische Haushalt die bunte Broschüre aus der CSU-Zentrale im Briefkasten. Schwarz auf gelbem Grund steht da, was Bayern ausmacht: „Raumfahrtzentrum und Radi. High Tech und high life.“
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