: Im Pazifik formiert sich der Widerstand
■ Die Anwohner der Pazifikinseln wehren sich gegen die erneuten Umweltattacken aus der industrialisierten Welt
„Der Pazifik darf nicht zur Giftmüllkippe für die ganze Welt werden“, so hatte die Kongreßabgeordnete für Hawaii bei einer öffentlichen Chemiewaffen-Anhörung im März in Honolulu gewarnt. Die Ergänzung der seit 1971 auf dem Johnston Atoll gelagerten 17.000 Tonnen giftiger Kampfstoffe aus Okinawa um weitere 7.000 Tonnen Giftgranaten aus der Bundesrepublik hat auf den Pazifikinseln zu heftigen Protesten geführt. Aktiviert und verseucht von den amerikanischen Nukleartests auf den Marshall Inseln in den 50er Jahren und den französischen Atomwaffenversuchen auf dem Mururoa Atoll, sehen sich die Anwohner der Pazifikinseln jetzt mit der nächsten Umweltattacke aus der industrialisierten Welt konfrontiert: Auf dem 1.200 km südwestlich von Honolulu gelegenen Johnston Atoll soll nun in einer 240 Mio. Dollar teuren Pilotanlage die Vernichtung von Chemiewaffen erprobt werden.
Die auf dem Hearing im März von Greenpeace und den Anwohnern vorgetragenen Einwände gegen das sogenannte Jacads -Programm sind in der jetzt veröffentlichten Umweltverträglichkeitsstudie des Pentagon erneut ignoriert worden. Die US-Army verneint weiterhin die Freisetzung giftiger Dioxine und Furane bei dem Verbrennungsprozeß. Selbst beim C-Waffen-GAU, einem Flugzeugabsturz in das Metallgebäude mit dem Senfgas, hätte dessen Freisetzung für die direkte maritime Umgebung zwar einen „furchtbaren Effekt“. Das Giftgas, so die Studie weiter, werde sich jedoch rasch auf offenem Meer auf ein ungefährliches Maß verflüchtigen.
Beruhigt hat diese Umweltverträglichkeitsstudie in der Pazifikregion niemanden. Neben dem Repräsentantenhaus von Hawaii haben nun auch der Gouverneur von Amerikanisch Samoa, die Regierung von Mikronesien und der Premierminister der Cook Islands an die Bush-Administration appelliert, von der Zerstörung der im Spätherbst aus Clausen eintreffenden C -Waffen auf dem Johnston Atoll vorläufig Abstand zu nehmen. Beim Treffen des „Süd-Pazifik-Forums“ Anfang August in Vanuatu werden auch die Regierungschefs von Australien, Neuseeland und der übrigen 13 Inselnationen über ihr Vorgehen gegenüber den USA beraten.
Die Einwohner der Pazifikinseln befürchten, daß die C -Waffen aus der BRD nur der Beginn eines weiteren Giftgasexports sein werden. Schon heute deutet sich an, daß der Bau von acht Verbrennungsanlagen in den USA für die dort lagernden 30.000 Tonnen Giftgase kaum politisch durchsetzbar sein dürfte. Wenn der C-Waffen-Transport aus Europa erfolgreich war, und wenn die Jacads-Öfen auf dem Atoll erst einmal laufen, wird es in den USA bald Stimmen geben, die einen Großteil US-amerikanischer Giftgase auf dem Pazifik -Atoll vernichtet haben wollen. Und in seinem Bericht vom November 1989 machte sich ein Verteidigungsausschuß des US -Kongresses schon Gedanken darüber, wie man die Anlage auf dem Johnston Atoll nach der C-Waffenzerstörung zur Vernichtung anderer Giftmüllarten umrüsten könne. In Clausen mag das Giftgas bald Geschichte sein. Im Pazifik hat die Geschichte mit dem Giftgas erst begonnen.
Rolf Paasch
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