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SEK und Polizei räumten Lindemann-Haus

■ 20 BesetzerInnen ließen sich gewaltlos räumen / Besitzer zeigt sich verkaufsbereit: DM 415.000 + Nebenkosten

Um halb zwölf war der Einsatz von rund 40 Polizeibeamten und SEK (Sondereinsatzkommando) nach noch nicht mal einer halben

Stunde schon wieder vorbei. Ohne Zwischenfälle räumten sie das seit einer Woche besetzte „Lindemann-Haus“ in Bremen

Lesum. Die 20 BesetzerInnen hatten sich kurz vor Eintreffen des Räumkommandos in die erste Etage zurückgezogen und hinter sich das Treppenhaus mit Kisten und Brettern verbarrikadiert.

Nachdem die Polizei einen Weg nach oben gebahnt hatte („im Zuge der Räumungsmaßnahmen mußte ein Fenster aufgebrochen werden“, so der Polizeibericht), verlas der Gerichtsvollzieher die einstweilige Verfügung des Landgerichts, erklärte ein Beamter den Jugendlichen die Verfahrensweise, und die zogen schließlich bereitwillig ihre Ausweise aus den Hosentaschen, um ihre Personalien feststellen zu lassen. Nur drei Leute mußten mit zum 20. Revier, weil sie keine Papiere bei sich trugen.

Nach einer halben Stunde war die Aktion beendet. Eine Speditionsfirma räumte mit den BesetzerInnen die Möbel aus dem Haus, die sich in der Besetzungszeit angesammelt hatten.

„Eigentum geht in diesem Staat über soziale Interessen“, wetterte ein Mädchen. Einige BesetzerInnen saßen vor dem Haus, guckten ins Leere, irgendwo klimperte eine Gitarre. Mit einer derart schnellen Räumung des Hauses hatte keiner der Beteiligten gerechnet. „Alle gingen bisher von Donnerstag aus“, berichetete ein Polizeibeamter. Uwe Voigt, Rechtsanwalt und Vertreter des jetzigen Eigentümers, der „BK -Bau“ aus Oldenburg, begründete die schnelle Räumung mit dem „Überraschungseffekt“. Voigt:

„Wir hatten Angst, daß die Jugendlichen sich verstärken.“

Vom Abriß des „Lindemannschen Hauses“ ist jetzt nicht mehr unbedingt die Rede: Vorausgesetzt, es findet sich ein Käufer, der das Haus erhalten möchte: Der Kaufpreis beträgt 415.000 DM plus Nebenkosten. InteressentInnen, so die BesetzerInnen, gäbe es - mindestens vier. Das zumindest habe Sozialsenatorin Sabine Uhl den BesetzerInnen in einem Gespräch am Montag abend erklärt. Und Detmar Leo, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bremen-Nord, war auch nicht untätig. Er habe inzwischen „informelle Gespräche mit den großen Bauträgern“ (Gewoba,

GEWOSIE und Bremische) geführt. Ergebnis: Zum Bauen seien sie bereit, allerdings nur über Förderprogramme. Leo: „Jugendliche müssen bei der Wohnungssuche genauso behandelt werden, wie andere.“ FDP-Fraktionschef Jäger sieht das ähnlich. Nur sei an ihn „bisher keiner herangetreten“.

Auf die BesetzerInnen kommen jetzt Verfahren wegen Hausfriedensbruch und Geldforderungen von bis zu 5.000 DM zu. Sie erwarten jedoch, daß die vom Makler der BK-Bau „aus der Portokasse bezahlt werden“. Besetzer M., 25 Jahre: „Ich denke, wir gehen ins nächste Haus.“

Ulf Buschmann

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