: Flüchtlinge wie Straftäter behandeln?
■ Pätzold will Abschiebehaft dem Strafvollzug unterstellen / Justizverwaltung wehrt sich, soll aber mit Stellen geködert werden
West-Berlin. Auf einen handfesten Krach mit Parteigenossin und Justizsenatorin Jutta Limbach hat sich Innensenator Erich Pätzold eingelassen, weil er der Justizverwaltung die Zuständigkeit über die Abschiebehaft zuschieben will. Was sich auf den ersten Blick „nur“ wie ein verwaltungsinterner Federstrich ausnimmt, würde für Insassen der Abschiebehaft bedeuten, in Zukunft gemäß Strafvollzugsordnung wie Straftäter behandelt zu werden. Eben dies - so Justizpressesprecher Christoffel - lehnt die Justizverwaltung ab. „Abschiebehaft darf nicht stigmatisierend wirken.“ Als „Unverschämtheit“ bezeichnete der AL-Abgeordnete und justizpolitische Sprecher der AL -Fraktion, Albert Eckert, die vom Innensenator gewünschte Verlagerung.
Die AL fordert dagegen, Abschiebegewahrsam so weit wie möglich zu vermeiden. Der Ausländerbereich der Partei will ihn ganz abgeschafft wissen. Fest steht, daß die von der AL wiederholt geforderte Beschränkung der Haftdauer auf maximal eine Woche immer wieder ignoriert wird. Kirchen und Flüchtlingsorganisationen berichten von Flüchtlingen, die teilweise bis zu einem halben Jahr in Abschiebehaft sitzen. Allen rechtspolitischen Einwänden zum Trotz scheint Pätzold vorerst am längeren Hebel zu sitzen: nach Informationen der taz droht der Justizverwaltung im Rahmen der Haushaltseinsparungen die Streichung von 150 Stellen - es sei denn, sie schluckt die Kröte und übernimmt die Abschiebehaft. Daß es beim Clinch der SenatorInnen auch um Posten geht, bestätigte Christoffel. Aus dem Hause Pätzold war keine Stellungnahme zu bekommen.
Bereits zweimal, 1985 und 1987 unter dem damaligen CDU/FDP -Senat, war eine Verlagerung der Zuständigkeiten für die Abschiebehaft erwogen und schließlich verworfen worden. Die Befürworter einer Verlagerung beriefen sich damals ausgerechnet auf die langen Haftzeiten, die ohnehin von Flüchtlings-, Bürgerrechtsgruppen und AL immer wieder heftig kritisiert worden sind. Weil man bei der Innenverwaltung bzw. der Polizei „nur auf sehr kurzfristige Verwahrung ausgelegt“ sei, sei die Abschiebehaft in der Justizverwaltung besser aufgehoben - eine Argumentation, die nicht nur bei der AL sondern auch bei der FDP auf entschiedenen Protest stieß.
anb
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