Kölner Größenwahn

■ Das für Frankfurt geplante TV-Festival soll jetzt in Köln stattfinden / Finanzierungsprobleme machen abgespeckte Programme nötig / Nordrhein-westfälische Staatskanzlei ist skeptisch

Eigentlich, ja eigentlich geht es uns heute gut. Nach den langen zermürbenden Jahren des Wirtschaftswunders, in denen wir in Arbeit versanken, sind nun die Jahre des dionysischen und epikureischen Genusses gekommen. Jede Kuhweide im Bayerischen Wald hat mittlerweile ihr eigenes Schützen-, Ernte-, Straßen-, Feuerwehr-, Graswuchs- oder Irgendeinen -Grund-wird-es-schon-geben-Fest. So schmückt sich denn inzwischen jede mittlere Kleinstandt, die eine Fußgängerzone ihr eigen nennen kann, auch mit einem Film-, oder wenn es dazu nicht reicht, einem Video-Festival.

Bei so viel Festival-Manie müssen nun aber neue Ideen her, die die Aufmerksamkeit der interessierten Kritiker und eines auf ständig neue Sensationen wartenden Publikums auf sich ziehen. So hatte der Berliner Filmjournalist Kraft Wetzel schon vor Jahren die Idee, ein internationales Fernsehfestival zu veranstalten. Weil Berlin schon immer (im Moment erst recht) allzu provinziell war, zog es ihn mit seiner Idee nach Frankfurt, wo die schöne neue Welt schon in der Architektur Einzug gehalten hatte. In Mainhattan also wurde Wetzels Konzept viel diskutiert und letztendlich verworfen.

Flugs machte sich der Initiator auf den Weg vom Main zum Rhein, denn da wird dank Stahlkrise längst nicht mehr mit Stahlbeton gekleckert, Illusionen werden hier gebaut, im aufstrebenden Medienland Nordrhein-Westfalen. Allen voran in Köln, der - so wollen es die Wunschträume der Stadtväter, die ihnen clevere Geschäftsleute eingeredet haben „Medienmetropole im Jahr 2000“.

Bei Bernd Schäfers, der mit seinem MediaPark-Projekt die Stadtväter schon locker übers Ohr gehauen hatte, fand Wetzel nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch offene Arme und einen leicht geöffneten Beutel. Schäfers begeisterte sich für das Projekt, und dank seiner guten Beziehungen zur Kulturverwaltung der Stadt machte die auch gleich 400.000 D -Mark für das Festival locker. Das reicht natürlich nicht, um das TV-Festival bereits in diesem Jahr (7. bis 11. November) in vollem Umfang zu fahren, denn der Gesamtetat ist auf 2,5 Millionen D-Mark veranschlagt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat bisher keine Unterstützung zugesagt, und wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautete, steht man dem Projekt in der Staatskanzlei nicht unbedingt wohlgesonnen gegenüber, zumal es in Nordrhein -Westfalen mit dem Adolf-Grimme-Preis bereits ein renommiertes Projekt gibt, das allerdings nicht den öffentlichen Charakter eines Festivals hat.

So wird denn MediaPark-Geschäftsführer Schäfers selbst tiefer in die Tasche greifen müssen, um das TV-Festival nach und nach seinen vollen geplanten Umfang zu fahren. Kraft Wetzel schweben vier Schienen vor: ein Wettbewerb im Bereich „Innovatic Drama/Fiction“ (zu deutsch: Erzählformen); ein Brainstorming (hier sollen MacherInnen fünf Tage lang unter Ausschluß der Öffentlichkeit über ihre Bedingungen, Ideen reden - 1990 soll es um Soaps und Telenovelas gehen); eine Programmschau eines Senders (im ersten Jahr der DFF, für die kommenden Jahre sind Channel 4 und La Sept vorgesehen); Avantgarde-TV (das reicht von Videoinstallationen über Videoproduktionen).

Ziel der MacherInnen ist es, das Festival 1993 - so Gott und verschiedene Geldbeutel wollen - auch der MediaPark steht - erstmals in vollem Umfang durchzuführen. In diesem Jahr wird man sich an dem finanziell Machbaren orientieren müssen. Ob das Festival tatsächlich ein Erfolg wird, hängt nicht nur davon ab, ob die in den Frankfurter Diskussionen vorgebrachte Kritik am Konzept berücksichtigt wird, sondern vor allem auch vom Ambiente in Köln. Selbst trefflichere Projekte versinken allzuoft in der provinziellen Bedeutungslosigkeit, wenn sie erst einmal in die Mühle des „Kölschen Klüngels“ geraten sind.

Lothar Mikos