Diestel will Polizeirecht verschärfen

■ Der Innenminister fordert ein neues Polizeiaufgabengesetz für die DDR / Ein Entwurf soll mit den Westkollegen abgestimmt und noch im Herbst von der Volkskammer verabschiedet werden / Berlins SPD-Stadtrat Krüger: „Falsche Antwort zur falschen Zeit“

Berlin (taz) - Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) rüstet auf. Im Anschluß an die jüngsten Ausschreitungen vor der Zentrale der neonazistischen „Nationalen Alternative“ im Ostberliner Bezirk Lichtenberg forderte er erneut neben einer besseren technischen Ausrüstung ein neues Aufgabengesetz für die DDR-Polizei. Protest gegen diese Absichten erhob unterdessen der Ostberliner Stadtrat für Inneres, Thomas Krüger (SPD). Er verurteilte den „Randaletourismus Westberliner Autonomer nach Ost-Berlin“, lehnte aber eine Verschärfung der Polizeibefugnisse als „nicht hilfreich und die falsche Antwort zur falschen Zeit“ ab.

Minister Diestel hatte bereits im Mai bei seinen bundesdeutschen Kollegen Hilfsleistungen im Wert von 44 Millionen Mark erbeten - für durchsichtige Plastikschilder, neue Dienstpistolen und neue Maschinengewehre. Mit Hilfe der Westkollegen soll nun auch ein neues Polizeiaufgabengesetz das alte aus dem Jahr 1968 ablösen. Eine erste Vorlage war schon im Januar vorgelegt, wegen „Schwachpunkten“ aber im Februar wieder zurückgezogen worden. Mit dem neuen Entwurf, so erklärte es der Polizeirechtler Gert Schüßeler von der Hochschule der Volkspolizei, sollen nun Aufgaben, Bewaffnung und Einsatzkriterien der Polizei detailliert festgeschrieben werden. Mit der Verabschiedung wird beispielsweise auch geregelt, wann und wie die Rasterfahndung in der DDR zulässig ist. Im Juli soll der Entwurf mit den Experten aus der BRD erörtert und abgestimmt werden. Ein Dissenz zu den Inhalten bundesdeutscher Polizeiaufgabengesetzen ist nicht zu erwarten - immerhin stehen dem Minister Diestel mit Heinrich Boge ein früherer BKA-Chef und mit Alfred Stümper ein noch bis Juli amtierender baden-württembergischer Landespolizeipräsident als Berater zur Seite.

Einziges Hindernis für die komplette Übernahme des bundesdeutschen Vorbildes ist der föderale Aufbau der BRD -Polizei und die damit einhergehenden unterschiedlichen Bestimmungen der einzelnen Polizeigesetze der Bundesländer. Das Polizeiaufgabengesetz der DDR soll nun die Befugnisse der Schutz- und Kriminalpolizei solange verbindlich regeln, wie die noch zu schaffenden DDR-Länder über keine eigenen gesetzlichen Grundlagen verfügen.

Das Fehlen jeglichen Datenschutzes in der DDR wird im Hause Diestel als nebensächlich angesehen. Das kommende Polizeigesetz, so heißt es, dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Es müsse vielmehr im Zusammenhang mit der Verfassung, den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und der Strafprozeßordnung gesehen werden. Schwierigkeiten gebe es derzeit nur, weil weitgehende Regelungen noch fehlten, die dem neuen Demokratieverständnis entsprächen.

Wolfgang Gast