: Schöner Leben als Flüchtling - bei uns nicht
■ Seit die polnischen AuswanderInnen keine „Flüchtlinge“ mehr sind, sind sie die Beute deutscher Kleinkrämerei
Alles Grenzfälle, die da in den 5. Stock der Rembertistraße 28 kommen, Flüchtlinge, Auswanderer, Weiterwanderer, Aus
landstätige, Menschen, v.a. Frauen, die Ehen mit Ausländern eingehen, Leute, die aus ihrem Heimatland rauswollten oder
mußten. Die Vertretung der International Catholic Migration Commission ist nur für ganz bestimmte behördlich vorgeschriebene Sorten von ihnen zuständig. Z.B. für die Flüchtlinge, die aus Polen kommen.
Wir reden hauptsächlich über sie, weil sie seit Monaten Cornelia Banischs Hauptbetätigungsfeld und Sorgenkind sind. Vor allem, seit es keine „Flüchtlinge“ aus Polen mehr gibt, seit dem 1. April. Da hat die Bundesregierung die Konsequenz daraus gezogen, daß in len niemand mehr politisch verfolgt wird und erkennt keine Asylanträge mehr an. Was im Großen Sinn macht, bedeutet verstärkten Druck auf die
Kleinen. Die wollen nämlich nach wie vor aus Polen raus. „Ich frage nicht mehr, WARUM, “ sagt Cornelia Banisch. Denn sie hört massiv immer wieder das eine: Daß es bei uns besser wird, dazu haben wir das Vertrauen verloren. Und: Wir wollen nicht mehr auf das bessere Leben warten, wir wollen es jetzt.“
Und beim Raphaelswerk landen diejenigen, die in ihren Papieren nichts Deutsches auftreiben können und das bessere Leben in einem der Einwandererländer, also z.B. Kanada, USA, Australien, Neuseeland suchen müssen. Die aber, wie z.B. Kanada, filtern ihre Einwanderer per Punktsystem nach Jugend, Mangelberuf,
Gesundheit, Integrierbarkeit. Wären Sie z.B. Polin, gar noch alleinstehende Mutter mit zwei Kinder, Sie kriegten die notwendigen Einwandererpunkte für Kanada nie zusammen, aber über das Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Osteuropa ginge es vielleicht.
Das ist auch nicht ohne, aber Cornelia Banisch vom Raphaelswerk würde Sie vorbereiten: Sie müssen sich einen Menschen in Kanada besorgen, der ein Jahr für sie bürgt, notfalls Wohnnung und Unterkunft zahlt, sie müssen ein Interview bei der kanadischen Botschaft bestehen und eine vertrauensärztliche Untersuchung, und das wird 15 bis 18 Monate
dauern. Tendenz steigend. Sie würde Sie beruhigen, (würde indes mit Ihrer Ausländerbehörde in diversen Telefonaten um Verlängerung Ihrer „Duldung“ bitten, bis Ihr Visum da ist) und würde wissen, daß sie Sie ein bißchen anlügt dabei.
Denn seit dem „Polenerlaß“ vom 1. April sehen etliche Ausländerbehörden und Sozialämter zu, daß die PolInnen schleunigst wieder dahin abgeschoben werden, woher sie kommen. Und wenn Sie die besagte Alleinstehende wären, mit den zwei Kindern, eines davon angewiesen auf bestimmte, in Polen nicht erreichbare Lebensmittel, dann würde der Chef ihrer Ausländerbehörde in Rothenburg lieber amtliche Anfrage nach Polen richten, ob diese Lebensmittel da wirklich nicht zu kriegen ist, als seine Macht auszuschöpfen und ihre „Duldung“ um ein paar entscheidende Tage zu verlängern.
Die Ausländerbehörden schöpfen ihren Spielraum da ganz unterschiedlich aus, sagt Cornelia Banisch, mit Bremen und Verden arbeitet sie gern, mit Rothenburg ist es schwierig, mit Cuxhaven unterschiedlich. Da kommt es schon mal vor, daß Ihnen, obwohl die Ausreise gesichert ist, für die allerletzten Monate zwischen „Interview“ und „Amtsarzt“ noch eben die Sozialhilfe gestrichen wird.
Bzw. Sie stimmen selbst der Streichung zu, weil Ihnen angedroht wird, daß Ihre „Duldung“ nicht verlängert wird. „Ich weiß nicht, ob das zulässig ist,“ sagt Cornelia Banisch, „auf jeden Fall läuft das so.“
Uta Stolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen