Neun verlassen AL-Schiff

■ Prominente Al-Bezirkspolitiker treten aus ihrer Partei aus / Verärgerte Reaktion auf Beschluß der Mitgliedervollversammlung für die Koalition

Westberlin. Der unter Schmerzen geborene Beschluß der AL, trotz aller Widrigkeiten die rot-grüne Koalition fortzusetzen, bleibt nicht ohne Nachwehen: Neun prominente Bezirkspolitiker zogen jetzt Konsequenzen und traten aus der Partei aus. Bekanntester Aussteiger ist der schwule Politiker Micha Schulze, bislang Mitglied der Charlottenburger Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Er sieht „gegen 23 BVVler“ weder die Möglichkeit, sich in der Schwulenpolitik durchzusetzen, noch will er die Senatsbeschlüsse zu Daimler, dem Hahn-Meitner-Institut und der Visumpflicht für Polen mittragen. Inhaltliche Diskrepanzen trieben auch acht Mitglieder der Weddinger AL dazu, der Partei den Rücken zu kehren. Ihre Hauptkritik, so Thomas Völpel, zielt ebenfalls in zwei Richtungen: Während die AL es einerseits nicht verstanden habe, sich gegenüber der SPD durchzusetzen, lasse parallel die Umgehensweise innerhalb der Partei mehr und mehr zu wünschen übrig. So sei den kritischen Weddingern auf der letzten Mitgliedervollversammlung nicht einmal mehr das Wort erteilt worden, monierte der Bezirkspolitiker. Die fortan Parteilosen wollen nun einen kommunalpolitischen Arbeitskreis gründen, eine Zusammenarbeit mit der PDS wird nicht ausgeschlossen.

In den Bezirksgruppen der übrigen Stadtteile ist nichts von Austrittsabsichten einzelner Mitglieder bekannt. Sowohl in Wilmersdorf, Spandau wie Neukölln setzt man nach Auskunft von Bezirksgruppensprechern auf Mitarbeit innerhalb der Partei. Für die Steglitzer ALerin Kirsten Böttner haftet den jüngsten Aussteigern gar „Kindergartengebaren“ an.

In bewährter Manier reagierte Angelika Hirschmüller vom Geschäftsführenden Ausschuß (GA) der AL auf die Mini -Austrittswelle: Das sei politisch falsch, da sich die Exmitglieder damit selbst jedes noch mögliche Druckmittel aus der Hand nähmen. AL-Sprecher No räumte zwar ein, daß der innerparteiliche Diskussionsprozeß „schwächer“ geworden sei, die Lösung des Problems aber sieht er dennoch weiterhin in Gesprächen innerhalb der Partei.

In die gleiche Kerbe schlug gestern der AL-Abgeordnete Köppl: Er forderte Umweltsenatorin Schreyer auf, sämtliche Rücktrittsspekulationen zurückzuweisen. Es sei Aufgabe der „ökologischen Kräfte“, den „Schaden für die Stadt“ zu begrenzen und nicht aufgrund öffentlichen Drucks „die Koalition durch den persönlichen Beschluß einer Senatorin in Frage zu stellen“.

maz