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Das unerotische revolutionäre Subjekt

■ Die PDS-Initiative West-Berlin lud zur Diskussion zum Thema „Wie kandidiert die Linke im Dezember?“ / Männerabend in der TU zum Thema Verbindung von Werktätigen und Intelligenz, bei dem die ALer schweigend zuhörten

West-Berlin. „Die Beseitigung partriarchaler Strukturen“ schrieb sich die „Initiative zur Gründung einer PDS in West -Berlin“ gleich als zweiten Programmpunkt auf die (Druck-) Fahnen ihres Gründungsaufrufes. Nicht nur ein orthographisch ziemlich gewagtes Vorhaben - wie sich am Montag abend bei einer Diskussionsveranstaltung mit rund hundert Teilnehmern in der TU zum Thema „Wie kandidiert die Linke im Dezember?“ zeigte. Jenes Geschlecht, das sich das herrschende weiß, schaffte es mühelos, runde zwei Stunden lang das Geschehen ganz allein zu bestimmen. Abgesehen von einem kurzen Fragesatz aus einem weiblichen Munde redete keine einzige Frau.

Die männerbündische, pseudoproletarische Diskussionskultur, die sich da im Raum breitmachte, schien wahrhaftig der Mühe auch nicht wert, sie war peinlich bis zum Anschlag. „Ich will hier nicht gelehrt reden, sondern ganz einfach“, begann einer seine Selbstdarstellung. „Ich stehe seit 15 Jahren als Arbeiter vor den Intellektuellen“, formulierte ein anderer tapferer Krieger. Das hätte er gar nicht zu sagen brauchen, denn aus einer Ecke des Saales war schon vorher die Klarstellung gekommen: „Wir kennen uns doch irgendwie untereinander, wir trinken zusammen Bier.“ Und so sahen sie auch aus, die Durchschnittszuhörer jenes Abends - 38 Jahre, bebrillt, Glatzen- und Bauchansatz. Von der erotischen Ausstrahlung ihrer Sympathisanten auf die Überzeugungskraft einer Partei zu schließen ist zwar fies und gemein, aber dennoch meistens treffsicher.

Hinzu kommen noch die Illusionen, die sich ihre Fans von der erotischen Ausstrahlungskraft einer PDS im Westen machen. Klaus Croissant, ehemaliger RAF-Anwalt und jetziger PDS-West-Gründer, geriet richtig ins Schwärmen: „Hier wirkt zum ersten Mal eine Partei von der DDR in die BRD, mit einem Wählerpotential, von dem wir hier nur träumen können.“ Sekundierte ihm ein Zuhörer: „Die PDS hat eine reale Massenbasis mit vielen Arbeitern und Arbeiterinnen als revolutionäre Subjekte, die PDS verbindet Werktätige und Intelligenz.“ Ein gewisser Jörg vom Kommunistischen Bund zeigte sich da skeptischer, zum einen wegen der „sozialdemokratischen Ansätze“ in der PDS, zum anderen „kippen denen doch noch Tausende, wenn nicht Zehntausende von Mitgliedern weg“. Der KBler, „unvorbereitet und nicht eingeladen, ich hab‘ nur zufällig die taz gelesen“, vertrat auf dem Podium die „Initiative Linke Liste“, die statt einer PDS-West ein Wahlbündnis von PDS-Fans über frustrierte ALer bis zu Kommunistischen Bündlern schmieden will - also alle unglücklichen revolutionären Subjekte der letzten Jahre zusammenholen möchte. Eine zu schnelle Gründung einer PDS -West könne nur schaden, befand er. Man brauche auch deswegen nichts überstürzen, da die PDS bei Gesamtberliner Wahlen eh mehr als fünf Prozent erreichen würde, „auch wenn sie nur in den Ostsektoren, oh, Entschuldigung: in der Hauptstadt kandidiert“.

Die vielleicht nicht ganz unwichtige Frage, ob bei einer PDS-Westkandidatur die AL vielleicht doch ins parlamentarische Aus gedrängt wird, interessierte die Darsteller männlicher Redekünste nur am äußersten Rande. „Die Grünen und die AL sind eine Partei geworden, die die Interessen der Mehrheit mißachtet und dem Kapitalismus nicht entgegentritt“, damit war für Klaus Croissant die Sache erledigt. „Die AL ist eine Regierungspartei, damit hat sie Interessen verraten müssen. Man muß versuchen, ihre linken Kräfte abzuziehen und ihre rechten anzugreifen“, befand Till Meyer, ehemals Mitglied des „2.Juni“, nunmehr PDS-West -Gründer. Dirk Schneider und weitere versprengte AL -Mitglieder im Raum hörten es schweigend. Entgegen anderslautenden Erwartungen glänzte übrigens die vom Regierungskurs dissidente AL Kreuzberg durch Abwesenheit, auch von deren Männern.

Ute Scheub

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