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Diego, der Letzte aus dem alten Geschlechte der Lazaroni

In Deutschlands bekanntestem Reiseführer des 18. Jahrhunderts schreibt ein gewisser Herr Volkmann in seinen „historisch-kritischen Nachrichten von Italien“ folgendes über Neapel:

„Es gibt in Neapel zwischen dreißig- und vierzigtausend Leute, welche keine bestimmten Geschäfte haben und auch nicht verlangen. Sie brauchen einige Ellen Leinwand zu ihrer Kleidung und etwa sechs Pfennige zu ihrem Unterhalte. In Ermangelung der Betten liegen sie des Nachts auf Bänken und heißen daher spottweise 'banchieri‘ oder 'lazaroni‘. Sie verachten alle Bequemlichkeiten des Lebens mit stoischer Gleichgültigkeit. Soviel Müßiggänger sind allerdings ein großes Übel in einem Staate, allein, es hält auch schwer, den Geschmack einer Nation zu ändern und sie arbeitsam zu machen, wenn der Hang zur Faulheit so groß ist.“

Für uns Anlaß genug, sich in Neapels Straßen einmal genauer umzusehen. Von Müßiggang keine Spur. Es hat sich einiges verändert in den letzten 200 Jahren. Gegen das Treiben in dieser Stadt ist ein Ameisenhaufen eine verkehrsberuhigte Zone. Selbst wenn man rasten wollte, ist dies nicht möglich, man wird permanent von einer riesigen Menschenmasse zu Fuß oder im Auto weitergeschoben, härter als am letzten verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten.

Weihnachtlich geschmückt sind auch viele Fenster in den Straßen. Bei näherem Hinsehen erkennt man bunt angeleuchtete Madonnen. Die eine wurde als Jungfrau unerwartet Mutter, die andere aus Argentinien für ungefähr 14.000.000.000 Lire gekauft. Es ist dies Diego Maradona, der letzte Müßiggänger Neapels, jedenfalls auf dem Rasen.

Ave Maria.

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