: Die manische Idylle
■ „Der Mann mit den Bäumen“ von Werner Kubny in der Filmbühne am Steinplatz
Wie ein einsamer Wolf durchstreift der Schäfer Elzeard Bouffier die Berge der Haute Provence. Ab und zu hält er inne, bohrt mit dem Stock ein kleines Loch in die Erde und wirft eine Eichel in die Grube. Dann schleppt er sich weiter. Das macht der Schäfer ungefähr 81 Filmminuten lang, sofern er sich nicht gerade ein Süppchen kocht, das er schlürfend löffelt. Hin und wieder gestört wird die Langeweile von einer noch langweiligeren Rahmenhandlung. Dort nämlich sitzt, in der alten Schreinerwerkstatt, der Tischler-Opa Kolander mit seiner Enkelin Klein-Anna und erzählt die Geschichte vom Mann mit den Bäumen, den er vor dem großen Krieg getroffen haben will. Elzeard Bouffier, so berichtet der Opa der staunenden Kleinen, habe über eine Million Bäume gepflanzt und die Provence, nachdem sie von den räuberischen Menschen abgeholzt worden war, wieder aufgeforstet.
Daß dem Filmautor Werner Kubny, der, wie er behauptet, selbst sechzig Eichenbäume „großgezogen“ hat und Zöglinge von Ablegern aus seinem Garten an Freunde verschenkt, um „Zeichen“ zu setzen, kein Meisterwerk in Sachen „ökologischer Revitalismus“ gelungen ist, liegt weniger an der langweiligen Geschichte, die den Film durchschnarcht, als daran, daß Langeweile zur Karikatur wird, ist sie langweilig inszeniert. Die poetisch langen Einstellungen, mit denen Kubny noch als Kameramann in Der Weg nach Courrieres frühe Landschaften für Vincent van Gogh so kongenial einzufangen wußte, sind hier zu abgespannten Postkartenansichten alternativer Ideologie verkommen. Die Ruhe wird qualvoll. Erscheint Landschaft anfangs als zerstörte Natur, die, hält man die Kamera nur lange genug drauf, nur noch öder und rauher wirkt, so glitzern später, zwischen Himmel und Erde, die Wassertröpflein und bunten Farben lebendiger Natur immer freudiger, hat nur der gute Mensch ihr das zurückgegeben, was Zivilsation ihr einst wegnahm.
Ewig dauernd, bricht schließlich die Idylle aus dem Dickicht hervor: dichter Wald gegen karge Steppen; steinige Felder werden zu saftig grünen Wies'n; kristallklares Wasser ohne tote Fischlein; ein senil-gütig dreinblickender alter Opa mit seiner rotbackigen jungen Enkelin und immer wieder der wandelnde Ewigsämann Bouffier vor tiefem wildbewölktem Horizont und in verdorrtem Gras stehend, als hätte er sich aus einem Bild Millets herausgestohlen. Mit der schalen Methode eines dialektisch aufgebauten Schulaufsatzes stellt Kubny schrecklich-tote und lebendig-schöne Landschaftsaufnahmen so gegenüber, daß sie sich neutralisieren und der täppischen Dramaturgie ähneln, die man landläu fig Fersehausgewogenheit nennt. Schlurft Bouffier zudem beinahe immer von links nach rechts durchs Bild, wünschte man, Kubny hätte mehr Mut zum Richtungswechsel gehabt.
Geradezu manisch wird's im Film, wenn die aktuellen Ursachen räuberischer Naturzerstörung ins Bild kommen. Da sind einmal - nichts könnte besser sein - die wilden Neonazis, die Klein-Anna in der U-Bahn ihr Bäumchen wegnehmen wollen und nur durch den ehrlich scharfen Blick eines ausgestorbenen Wesens - des deutschen Arbeiters mit Schlägermütze - zurückgehalten werden können. Dann überrast ein Rollschuhfahrer doch die Kleine. Außerdem schleicht sich ein großmannssüchtiger Neureicher in die Tischlerwerkstatt, der den Opa zusammenscheißt, als dieser ihm eröffnet, daß sein Stuhl noch nicht fertig sei, weil Holz Zeit zum Trocknen brauche, gut Ding eben Weile haben will und wir mit den Dingen der Natur sorgsam umgehen müssen. Die Bedrohung zeigt durchaus leibhaftige, wenn auch hölzerne Züge. Doch grenzt sich die Geschichte - die Off-Stimme des Opas ist fast wie ein Kommentar -, wenn es einmal interessant wird, nach außen ab, indem einem romantischen Idyll von mythischer Kraft (Bouffier) und zweisamer Gemütlichkeit (Opa und Anna) gehuldigt wird, dessen Anachronismus durch Klänge von 3.000 Jahre alten kaukasischen Hirtenliedern perfekt wird. rol
Der Mann mit den Bäumen von Werner Kubny nach einer Erzählung von Jean Giono. BRD 1989. Buch, Regie, Kamera: Werner Kubny. 81 min, 35 mm, Farbe.
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