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Die Politik erhält ihre Werkzeuge von Daimler

■ Jahreshauptversammlung des größten bundesdeutschen Konzerns in Stuttgart: Vorstandschef Edzard Reuter gab sich von der Kritik wenig beeindruckt

Aus Stuttgart Uwe Rosentreter

„Wir sind froh darüber, daß die lauten öffentlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Messerschmidt-Bölkow-Blohm GmbH nun der Vergangenheit angehören“, sagte Daimler Chef Edzard Reuter zu Beginn seiner Rede auf der Hauptversammlung des Konzerns in Stuttgart.

Nun, laut waren sie trotz musikalischer Unterstützung durch die Gruppe „Lebenslaute“ nicht, die RüstungsgegnerInnen, die sich vor den Eingängen zur Schleyer-Halle versammelt hatten.

Wendepunkt im

Jahr 1992

Aber erfolgreich: Die seriös aufgemachten „Ergänzungen zum Geschäftsbericht 1989 der Daimler-Benz AG“ wurden den Kritikern von den 9.500 in die Halle strömenden Aktionären zahlreich abgenommen. Und manch einer blätterte nachdenklich in den Bemerkungen über die Verkehrspolitik, Rüstungsexporte oder die Südafrikapolitik „seines Unternehmens“. Willi Hoss, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag und 25 Jahre lang Mitarbeiter des Automobilherstellers, griff dann auch in seinem Redebeitrag die Kritik des alternativen Geschäftsberichts an der Diskrepanz zwischen den „schönen Worten des Konzernvorstandes und dem Fortfahren mit der alten Politik“ auf.

Als Beispiel nannte er die neue S-Klasse („Fortschreibung von Kraft, Geschwindigkeit, Protz und Ressourcenverbrauch“), die 1992 auf dem Markt sein wird. Just diesen Termin nannte Konzernchef Reuter als den Zeitpunkt, zu dem hinsichtlich des seit 1987 rückläufigen Betriebsergebnisses mit der „Wende von einem noch ordentlichen zu einem wieder befriedigenden Niveau“ gerechnet werde - und setzt damit kräftige Erfolge der S-Klasse voraus. Willi Hoss forderte statt dem von der Daimler-Tochter Dornier für Inlandsflüge konzipierten Regionalflugzeug DO 328 die Entwicklung eines umweltfreundlichen und sozialverträglichen Personen- und Gütertransportsystems, wobei er ausdrücklich auf das vor kurzem von der IG Metall vorgelegte Positionspapier verwies, in dem diese eine Neuorientierung der Verkehrspolitik (staatliche Vorgaben für Verbrauchssenkungen, Steuererhöhungen und Tempolimits) sowie eine grundlegende Umgestaltung des gesamten Verkehrssystems (Ausbau des öffentliche Nah- und Fernverkehrs, Güter auf die Schiene) skizzierte. Reuter nutzte die Gelegenheit nicht etwa zur Erneuerung des erst neulich von seinem Mitarbeiter Matthias Kleinert formulierten Angebotes, gemeinsam mit den Grünen ein Forschungsprojekt anzugehen, sondern reagierte lapidar: „Wollen Sie die Leute bevormunden, das Auto verbieten?“ Unbeeindruckt blieb man auf dem Podium der Daimler-Lenker auch von den Beiträgen der Sprecher der unter anderem von kirchlichen Gruppen getragenen Aktion „Entrüstet Daimler“.

Rüstungsproduktion

bleibt diskret

Obgleich die Kritik respektiert würde und der Dialog mit ihnen aufrecht erhalten werde, wurde die Forderung nach Offenlegung der Richtlinie zum Export von Rüstungsgütern, die sich nach Reuters Worten am Maßstab der Verantwortung und nicht an bedingungslosem Verkaufsdrang ausrichtet“, rundweg abgelehnt. Wie sehr ihm das Thema Abrüstung zu schaffen macht - die Auftragseingänge im Bereich Verteidigungstechnik gehen zurück -, wurde deutlich, als er zur unternehmerischen Mitgestaltung einer friedlicheren Welt auf das Know-how seines Unternehmens verwies, „auf das nur verbohrte Ideologen verzichten können.“ Reuter: „Und wir alle wissen ja: Die Ideologen von heute sind die Diktatoren von morgen.“ Und er stellte klar: „Unser technologisches Potential wird auch zukünftig dazu beitragen, daß der Politik die für gesicherte Stabilität jeweils erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung stehen.“

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