: Kommunisten wählen alte Struktur
■ Auf dem Parteitag der KPdSU wurde das Prinzip des Demokratischen Zentralismus erneuert
Moskau (dpa/taz) - Nach dem Entwurf des neuen Parteistatuts, der dem 28.KPdSU-Parteitag am Montag vorgelegt wurde, soll der sowjetische Parteichef weiterhin den Titel Generalsekretär tragen, und der Parteitag soll das Zentralkomitee und das Politbüro wählen. Nach der Vorlage wird auch, ohne Gorbatschows Änderungsvorschläge zu berücksichtigen, das Prinzip des demokratischen Zentralismus wieder eingeführt.
Nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus müssen Anordnungen der Parteiführung von der Basis befolgt werden. Andererseits wird jedoch in der veränderte Präambel des neuen Parteistatuts „einen demokratischen und menschlichen Sozialismus“ als Ziel anvisiert. Bisher war offen, ob die Partei künftig von einem Präsidenten oder einem Generalsekretär geleitet werde. Die einzige Änderung wird die Einführung eines stellvertretenden Generalsekretärs sein, der für die alltäglichen Parteigeschäfte zuständig sein wird.
Wie vorgezeichnet haben die Delegierten auch die „Entpolitisierung“ des Militärs mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. 3.547 Delegierte sprachen sich für die Beibehaltung von Parteiorganisationen in der Armee aus, 604 votierten dagegen. Damit ist zunächst der Versuch gescheitert, die Armee zu entpolitisieren. Dem Beschluß zufolge soll aber einen gewissen Pluralismus geben, denn neben der KPdSU soll anderen Organisationen ein Engagement in der Armee gestattet werden. Bisher waren Organisationen von Militärs, die sich der „Demokratischen Plattform“ oder anderer politischen Gruppen verbunden fühlten, verboten.
In dem Text, der von den Delegierten verabschiedet wurde, heißt es, daß die Parteiorganisationen in der Armee Arbeitsweisen entwickeln sollen, die eine Zusammenarbeit mit anderen sozialen Organisationen erlauben, die sich innerhalb des Spektrums der sowjetischen Gesetze bewegen, was auf Art Mehrparteiensystem innerhalb der Armee hindeutet. Der Beschluß sieht eine „Militärreform in Etappen“ vor. „Die militärische Gefahr für die UdSSR dauert an“, und die Unumkehrbarkeit der positiven Veränderungen in der Welt seien noch nicht garantiert, heißt es u.a. in dem Text, den der politische Leiter der sowjetischen Armee, General Alexej Lisitschew, ausgearbeitet hatte. Er wies auf eine angemessene und ausreichende Unterstützung der Verteidigungsdoktrin durch die Partei hin. In der Resolution wird die Bereitschaft zu einer weitgehenden militärischen und politischen Kooperation zum Ausdruck gebracht. Weiterhin wird auf die zentralistische Leitung in Fragen der Verteidigung, Sicherheit und Militärindustrie betont. Ein hochrangiger Offizier: „Die politische Arbeit innerhalb des Militärs soll auf den Ideen von Marx, Engels und Lenin basieren.“ Mit dem Beschluß scheint auch die Frage entschieden, die in der Reformpresse in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gestellt wurde: „Mit wem bleibt die Armee, wenn sich die politische Situation zuspitzt?“ Hochrangige Militärs wie General Makaschow kritisieren offen den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Osteuropa und plädieren für das Eingreifen der Armee in den sowjetischen Konfliktregionen, in Moldawien, den baltischen Ländern und Transkaukasien. Makaschow, der auch vom Chef der Russischen Partei, Iwan Poloskow, gestützt wird, wurde noch deutlicher: „Das Volk kann die Veräter auch steinigen.“
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